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Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Titel: Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Schlinge?«
    »Entschuldigen Sie sich bei Herrn Hahn. Das ist mein Rat.«
    Oh, wie großartig fühlte ich mich! Jetzt MUSSTE Fred mir einfach die Hand schütteln kommen! Er MUSSTE hinter mir herrennen, um mir zu sagen, was für ein feiner, großartiger, loyaler Kerl ich sei!
    »Nein. Nie im Leben. Eher springe ich von diesem Schiff.«
    Den letzten Satz hatte er so laut ausgesprochen, daß mehrere Passagiere, die sich interessiert über die Rühreier beugten, erschreckt zusammenzuckten.
    »Dann springen Sie, Herr Kapitän«, sagte ich und ließ ihn stehen.
    Jeden Morgen trabte ich bereits um halb sechs im Fitneßcenter auf dem Laufband herum.
    Ich konnte einfach keine Sekunde schlafen! Alles ging in meinem Kopf herum, wie Affengeschnatter, die vielen Worte, die vielen Gesichter, die viele Musik, die Eindrücke der letzten Tage. Ich war durch Darwin geschlendert, immer mit Ulrich dem Belagerer, seinem Kollegen Jürgi Bürgi, Gloria, dem Fotografen Stefan, Mareike, Anthony und Anna. Wir hatten uns Motorräder geliehen und waren durch die australische Wüste gedüst. Wie herrlich, wie befreiend, mit nichts als einem T-Shirt und kurzen Hosen durch den Wüstensand zu rasen! Ulrich hatte sich nicht wieder eingekriegt vor Begeisterung – ja Wahnsinn, du, du, unglaublichch, du! –, und selbst Jürgi Bürgi hatte ansatzweise Freude gezeigt! Anna und ich, wir hatten laut gesungen, und Gloria hatte »GEIL, EY, EINFACH GEIL!!« gebrüllt. Wir hatten die Aborigines besucht, wir hatten Höhlenmalereien angeschaut, wir hatten Sydney gesehen. Und ich hatte einen Bord-Chor gegründet! Es waren über dreißig Crewmitglieder und fünfzig Passagiere, die regelmäßig an meinen Chorproben teilnahmen! Jeden Seetag-Vormittag um elf und jeden Nachmittag um vier probte ich mit meinen Leuten im Kino, auf Deck sieben. Das Kino war so brechend voll, daß die Crewmitglieder an der Wand stehen mußten. Ich kam dem Geschmack unserer Passagiere übrigens sehr entgegen, indem ich schönes altes deutsches Liedgut einstudierte.
    Und alles, alles, alles, was ich tat, erinnerte mich an Fred Hahn.
    »Wenn alle Brünnlein fließen, so muß man trinken! Wenn ich mein’ Schatz nicht rufen darf, tu ich ihm winken!«
    Wir sangen die dreistimmige Fassung von Fritz Jöde und Felix Oberborbeck, und es klang wirklich überraschend gut. Die Passagiere, besonders die vielen älteren Damen, die sich meinem Chorkreis angeschlossen hatten, waren hellauf begeistert. Sie lobten mich und sprachen von »hervorragendem pädagogischem Konzept« und von »außergewöhnlicher musikalischer Begabung«, und ich schluckt’ es wohl gern und hütete mich, ihnen zu verraten, daß ich seit zehn Jahren in Geilenkirchen nichts anderes tat, als alten Jüngferlein mit endgeilen Liedern wie »Innsbruck, ich muß dich lassen« einzuheizen.
    Und ich verzehrte mich bei jeder gesungenen Zeile nach Fred. Weil einfach alles, alles auf uns paßte.
    »Mit Lieb bin ich umfangen, Herzallerliebster mein, nach dir steht mein Verlangen, könnt’s oder möcht’s gesein. Könnt ich dein Gunst erwerben, käm ich aus großer Not. Viel lieber wollt ich sterben und wünscht mir selbst den Tod.«
    Mir wurden gar die Äuglein naß, wenn ich das dirigierte. Könnt’s oder möcht’s gesein! Ich wußte von Larry, meinem Freund aus der Technik: Fred hockte während der Proben heimlich hinten im Filmraum, hinter dem schmalen Schlitz, und sah sich das Dilemma an.
    Wir waren viel schlimmer dran als Kate Winslet und Leonardo DiCaprio, und das fand Hättwich auch. Sie war ganz bekümmert und hatte Mitleid mit mir, zumal ich immer weiter abnahm und bald ein Schatten meiner selbst war.
    Natürlich kam es auch zu Streitereien im Chor.
    Es gab nämlich im ganzen Kino nur eine erste Reihe. Leider. Warum hatte der Reeder dieses Prachtschiffes sich nicht die Mühe gemacht, ein Kino zu bauen, das nur aus einer einzigen, gigantisch langen ersten Reihe bestand? Er hätte das Kino auf Deck sieben so anlegen können, daß es vom Bug bis zum Heck ging, mit einer Leinwand, die achthundert Meter lang war. Dann hätten alle in der ersten Reihe gesessen. Aber nein, der Reeder hatte ein ganz normales Kino mit 27 Reihen bauen lassen. Und in die erste Reihe paßten nun mal nur zwölf.
    Und ich hatte angeordnet, daß auch ein paar Tenöre und Bässe vorne sitzen sollten, wegen der Ausgewogenheit der Stimmen. Völlig klar, daß alle alten Jüngferlein nun auch vorne sitzen wollten, neben den wenigen männlichen Wesen.
    Zu allem

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