Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
der Reeder diesen Idioten abziehen«, sagte Schulz. »Ich bleibe!«
»Und was ist mit Ihren anderen Leuten?«
Ich mußte mein Herzklopfen erst mal unter Kontrolle bringen. Ich schaute auf Fred. Und Fred erwiderte meinen Blick, angeschossen, wie ein weidwundes Reh, während er Gloria zuhörte, die laut auf ihn einredete.
Oh, Mann, dachte ich. Wie hab ich dich doch ins Herz geschlossen. Du kannst sicher sein: Ich steh zu dir. Und wenn ich jetzt Spionin bin – alles zu deinem Vorteil. Ich bin auf deiner Seite. Das weißt du, Streifenhörnchen. Ich zerreiß mich für dich in Stücke.
Krieg der Streifenhörnchen. Wer hätte das gedacht.
Schulz redete, während ihm das gesottene Känguruh fast aus den schlecht gepflegten Zähnen fiel. »Der Hoteldirektor ist ebenfalls eine Flasche. Völlig unfähig, der Mann. Hat ein Fünfsterneschiff in Null Komma nichts auf den Standard eines Dreisterneschiffes runtergewirtschaftet. Sehen Sie ja selbst! Schubladen stehen offen, während die Ehrengäste tafeln! Sie müssen die Suppentassen von unten holen, die Idioten, weil sie es sonst nicht geregelt kriegen! Der Cognac ist schlecht und das Essen auch! Die Kabinen werden nicht kostendeckend verkauft. Wie kann es angehen, daß irgend so ein namenloser Künstler auf Deck acht wohnt, während ein Weltreisender die Kabine auf dem vierten Deck bekommt?«
Oh, là, là, dachte ich. Ich bin auf Deck acht. Irgend so ein namenloser Künstler.
Und der göttliche Fred Hahn, der sein Leben auf diesem schwimmenden Knast fristet, haust auf Deck vier! Ich werde sofort morgen mit ihm tauschen.
»Keine Ahnung«, stammelte ich. »Das ist sicher ein Fehler in der Organisation!«
»Eine Riesenschlamperei ist das! Und wer muß das ausbaden? ICH! Der Kapitän!« Schulz schlug verärgert mit der Faust auf den Tisch. Sofort sprang der Obersteward herbei.
»Schenken Sie Cognac nach!« herrschte Schulz ihn an. »Und bringen Sie endlich die Weinkarte!«
»Sehr wohl, Herr Kapitän.«
»Auch der Ingenieur ist ein Schlappschwanz«, sprach der Käpt’n unaufgefordert weiter. »Und der Steuermann und der Maat und der Staffkapitän und der Obersteward und der Zahlmeister. Alles ausgewachsene Idioten. Ich bin von Idioten und Versagern umgeben, liebe gnädige Frau. Was soll ich bloß tun?«
Dich vom Heck in die Schraube stürzen, du sagenhaftes Arschloch, wollte ich sagen. Da wirst du wenigstens geräusch- und geruchlos entsorgt. Keiner hier wird dich vermissen. Aber ich schwieg und zuckte mit den Schultern.
Das Essen war mit Panna cotta auf Himbeermark und Kakaoküchlein »Cappuccino« zu Ende gegangen. Der Käpt’n hatte noch über weitere zwei Dutzend Mitglieder seines Teams geschimpft. Dann hatte er mir die Hand geküßt und war von dannen geschwankt.
Ich saß fassungslos da.
Und hatte nun zwei Möglichkeiten:
Entweder Gloria alles brühwarm erzählen.
Oder Fred alles brühwarm erzählen.
Ich schlich auf dem Außendeck herum und betrachtete den Mond. Wie wunderbar er schien! Wie romantisch! Wie hell er das Meer erleuchtete! Man müßte verliebt sein, glücklich, zufrieden zumindest, und diese Brise inhalieren, dieses Gottesgeschenk von samtwarmer, lauer, weicher Nacht.
Aber die Negativenergie des Kapitäns hatte von mir Besitz ergriffen.
Ich mußte, ich wollte, ich sollte ... Fred Hahn ... WARNEN! Er saß mit einem Verräter in einem Boot!
Wenn dieser unsägliche Kapitän es fertigbrachte, wildfremden Sängerinnen aus Geilenkirchen das gesamte Spektrum seiner unfähigen Mannschaft unaufgefordert darzulegen, was würde er tun, wenn das Schiff sänke??!! Ich zitterte vor Empörung, vor Zorn, vor Solidarität mit meinem geliebten Fred. Vielleicht schäkerte er jetzt in irgendeiner Bar mit der lauten, besitzergreifenden Gloria herum?! Ich hatte wohl noch eine Aufgabe, bevor ich endlich, nach drei Tagen und vier Nächten, SCHLAFEN ging!!
Ich schritt entschlossen in die »Prinzessin-Stefanie-von-Monaco-Bar«, wo man sich ab Mitternacht traf.
Als erstes fiel ein begeisterter Ulrich über mich her.
»Du, Wahnsinn, du, wie ichch dichch vermißt hab, du, das ist Wahnsinn, wie deine Power mir abgegangen ist, heute abend, du!
»Vielen Dank, Ulrich, aber ich suche jemanden.«
Da schnappte mich schon Rudolf, der Kegelbruder, und drückte mich auf die Tanzfläche. Sofort hielt seine Frau die unvermeidliche Videokamera auf uns.
Wir tanzten. Erwähnte ich schon, daß Rudolf gut tanzen konnte? Doch, Rudolf konnte ausgezeichnet tanzen. Wenn auch nur in der
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