Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
erwachend, irritiert im Auto herum.
»Ich war’s nicht!« stammelte ich.
»The volcanic area“, sagte unser Fahrer, indem er entschuldigend die Fenster schloß.
»Ach, dann sind wir da“, sagte Fred.
»Wo? In der Hölle?« Ich rieb mir die Augen.
»Klar! Wir zwei haben doch die gleichen Schwefelseelen! Hast du selbst gesagt!«
Ich dachte erschrocken an die drei Leichen, die ich auf dem Gewissen hatte. Ob die mich schon beim lieben Gott verpetzt hatten? Ging das so prompt mit der Abrechnung?
Fred zerrte mich aus dem Auto. »Wir kommen beide in die Hölle, also warum fangen wir nicht gleich damit an?«
In der Morgensonne qualmte es aus unzähligen Erdlöchern. Unerträglich beißender Gestank umhüllte uns. Mir verschlug es den Atem. Faule Eier waren ein liebliches Parfum dagegen! Ich fühlte mich wie Jim Knopf mit Lukas, dem Lokomotivführer, bei Frau Mahlzahn, dem widerlichen Drachen. Schwefeldämpfe strömten aus unzähligen Erdlöchern. Es blubberte und brodelte. Als würden Kröten tanzen, spritzten kochende Schlammquellen mit leckenden, schmatzenden Geräuschen aus dem braunvermatschten Erdboden. Ich sprang erschrocken zur Seite. Geysire von heißem, ätzendem Stinkwasser ergossen sich auf hartes, verkrustetes Schlammgestein. So mußte es in der Hölle sein! Alter Spanner? Herr Rehm? Du hier? Frau Adlerhorst? Ich guckte heimlich nach dem Haarteil. Lag es hier irgendwo im Schlamm herum?
Aber wir waren in einer Art Thermalbad angelangt.
Es gab sogar direkt neben diesen Stinkbrunnen ein Hotel, aus dessen Fenstern sich erste erwachende Kurgäste beugten. Daß die überhaupt noch lebten nach einer ganzen Nacht in diesem Gestank!
»Wie heißt das hier?« schrie ich gegen den Lärm der schmatzenden, züngelnden Teufelsgeysire an.
»The Whakarewarewa Thermal Reserve«, gab der Fahrer höflich Auskunft.
»Hier singst du immer deine Kirchenkonzerte, ja?« stichelte Fred.
»Klar«, rief ich. »Begleitet von einem Teufelsorchester. Die spielen auf Mistgabeln und blasen auf Hörnern und Schwänzen!«
Ich dachte an diese gräßlichen Altarbilder, die die Hölle darstellen. Wo widerlich grinsende Teufel und schäbige einhufige Ungeheuer die armen Sünder mit Mistgabeln und brennenden Fackeln in genau solche stinkenden Schlammlöcher schubsen. Nun war ich also da angelangt, wo ich hingehörte. Nach drei Meuchelmorden.
Wir wanderten ein paar Schritte um die kochend heißen Teiche und Pfützen, deren Ränder schwefelgelb verfärbt waren. Sicher würden gleich ein paar Hexen auf ihren Besen vorbeireiten, mit gräßlichen Eiterbeulen auf der Nase und Warzen auf dem Kinn, und mich mit kreischendem Gelächter auf ihre Besen hieven. Mich beschlich ein leises Unwohlsein.
»Nett ist es hier«, sagte, ich. »Bleiben wir lange?«
Fred zündete sich eine Zigarette an. Ich erwartete, daß sie mitsamt Fred jeden Moment explodieren und mit gräßlichen Furzgeräuschen in die Lüfte entweichen würde.
»Bleiben wir lange?« äffte Fred mich nach. Dann griff er mit dem Finger unter mein Kinn. »Ich dachte, du liebst mich? Du wolltest doch mit mir durch die Hölle gehen!«
Eine Stunde später war ich im Himmel. Noch nie hatte ich so riesige Bäume gesehen! Sie waren fünfmal so dick und zehnmal so hoch wie alle Bäume, die ich bisher gekannt hatte. Der Regenwald von diesem unaussprechlichen Whakarewarewa Forest Park war sensationell! Ich trabte hingerissen, fernab von allen Geschehnissen dieser Welt, über den feuchtwarmen Moosboden. Ein göttliches Fleckchen Erde, sonnig und heiß, grün und duftend. Aus dem Walkman gönnte ich mir das Weiterbildungsseminar »Alles ist möglich«. Die Wege waren markiert. Ich nahm eine Steigung, trabte bergan, der Schweiß tropfte mir ununterbrochen von der Stirn, ich war wie in Trance. Fred liebte mich! Er wollte mit mir durch die Hölle gehen!
Ja, er und ich, wir waren aus dem gleichen Holz. Ich wollte für ihn durchs Feuer gehen. Und genau hier, in diesem wundervollen Neuseeland, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, dem Land der freundlichen, relaxten Menschen, dem Land der unendlichen grünen Landschaften, wollte ich mit ihm leben. Auf einer Farm. Meinetwegen den ganzen Tag Schafe scheren oder Kiwis ernten. Egal. Tausend Träume. Ich trabte und trabte. Ein neues Leben. Wie symbolisch. Alles hinter mir lassen. Neu anfangen. Gucken, was kommt.
Oben angekommen, hatte ich einen gigantischen Blick auf den Lake Rotorua. Der Himmel war blau. Der See war blau. Der Wald war von einem
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