Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
gepflegten kleinen Häuschen im Kolonialstil, die in Reih und Glied an der verwaisten Straße standen. Beim Laufen betrachtete ich die friedlichen Gärtlein mit kleinen weißen Skulpturen und Brünnlein, in denen blühende Büsche und Blumen erwachten. Ich trabte bis zum Strand. Das Meer glitzerte friedlich und still in der rosaroten Morgendämmerung. Ein wunderbares Bild, das ich nie vergessen würde. Und wie symbolisch das doch war! Ich würde ein neues Leben beginnen. Mit Fred an meiner Seite. Am besten hier, in Neuseeland, wo uns niemand kannte, wo uns niemand beobachtete, fotografierte, beneidete, unser kleines Glück mißgönnte. Fred und ich, wir würden eines von diesen kleinen heilen Häuschen hier kaufen, am Strand, und dann würden wir ein kleines heiles Leben führen mit kleinen heilen Kinderlein. Ich mußte ihn nur erst aus der Höhle des Löwen retten. Ich mußte ihn von diesem Schiff holen. Ihn erlösen. Aus eigener Kraft kam er da nicht mehr runter. Er hatte keine Wurzeln, keine Familie, keine Heimat. Das alles wollte ich nun für ihn sein. Alle anderen Tussis hatten es nicht ernst gemeint mit ihm. Ich meinte es ernst. So ernst hatte ich es noch nie im Leben gemeint. Jeder Schritt mußte nun sorgfältig bedacht werden. Als erstes würde ich jetzt, wenn ich nach Hause kam, die Scheidung von Rüdiger einreichen. Das war nicht besonders elegant vom Zeitplan her, so kurz vor Weihnachten. Aber es mußte sein. Das Weiterbildungsseminar »Alles kein Problem« war mir bei diesem morgendlichen Abspeichern meiner Gedanken ausgesprochen hilfreich. Es erschien alles so einfach! Ich trabte und trabte. Die blendende Sonne ging auf und warf einen gigantischen roten Teppich über das weich glitzernde, graublaue Meer. Fast schien es mir, als werfe sie diesen Teppich für mich aus, damit ich darüberlaufen könne. Ich fühlte mich so leicht und beschwingt, daß ich sicher war, ich könnte es.
Abends zur Farewell-Gala mußten wir wieder an Bord sein. Die böse, böse Zeit! Sie hatte doch nicht Pause gemacht. Sie war einfach verstrichen. Und mir blieb nur noch eine einzige, einzige Nacht!
Fred eilte die Gangway hinauf und sagte nicht mal mehr »Tschüs«, als unser Fahrer uns im Hafen wieder absetzte. Ich blieb noch ein bißchen im Wagen sitzen, damit niemand uns zusammen kommen sah. Dann gab ich dem Fahrer ein großzügiges Trinkgeld, bedankte mich für den wunderschönen zweitägigen Ausflug und trödelte so langsam über das Hafengelände. Der Zweitagesausflugsbus kam auch gerade an. Die müden Paxe ließen sich so langsam aus dem Bus tropfen. Es wurde geplaudert und gescherzt. Schon stand ich in der Schlange auf der Gangway.
»Na, Burkharda, haste den Fred doch noch rumgekriegt?« Klara-Viktoria, die fette Diseuse, kam mit dem armen Lars-Dars im Schlepp hinter mir her.
»Nur kein Neid«, sagte ich über die Schulter hinweg.
»Ph! Iwo! Ich doch nicht! MEIN Mann ist ja wohl um Klassen schöner als DEIN Fred!«
»Also erstens bin ich nicht dein Mann, und zweitens ist er nicht ihr Fred«, mischte sich Lars-Dars ärgerlich ein. Er hatte ein Hawaiihemd an. Sein magerer weißer Hals stakte aus dem geschmacklosen lappigen Teil heraus. Auf der Bühne im Frack hatte ich ihn richtig appetitlich gefunden, aber jetzt?
»Jedenfalls ist unsere Burkharda in jeder Hinsicht auf ihre Kosten gekommen«, stichelte Klara-Viktoria weiter. »Du läßt ja anscheinend nichts anbrennen.«
»Engel, bitte halt den Mund«, sagte Lars-Dars.
»Wieso denn!« Der Engel schob sich schnaufend zwei Stufen weiter hoch und pustete mir seinen keuchenden Atem in den Nacken, schauderhaft.
»Sie nimmt sich, was sie kriegen kann, die Gute. Zuerst nimmt sie mir mein gesamtes Programm, dann nimmt sie sich meinen Pianisten und Lebensgefährten, dann treibt sie es mit dem Schweizer Bänker vor dem Fitneßstudio, und dann nimmt sie sich den Kreuzfahrtdirektor.«
»Engel, bitte!«
Sie! Sie wußte es also auch! Das mit Ulrich und mir!
»Wenn der Kapitän nicht so eine Horrorfigur wäre, würde ich vorschlagen, du kannst dich heute abend noch steigern ...« Klara-Viktoria kramte in ihrer Tasche nach dem Bordausweis. »Schatzi, kannst du mal halten?«
Und in dem Moment kippte die Tasche um. Es ergossen sich einige peinliche Gegenstände wie vollgeschnupfte Tempos, Tampons der Größe super plus und Slipeinlagen auf die Gangway. Und auch einige Fotos. Klara-Viktoria hob nicht etwa die peinlichen Sachen zuerst auf. Also, wenn aus MEINER Handtasche Tampons
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