Mord an der Leine
verstehen alte Männer aber nichts.« Sie
ließ ihn stehen und suchte das Büro von Nathan Madsack. Der saß an seinem
Schreibtisch und sah auf. Er hielt die Hand vor den Mund, kaute zu Ende und
zeigte auf den Besucherstuhl. »Nehmen Sie bitte Platz. Möchten Sie einen
Kaffee?«
»Gern. Ich habe zuletzt heute Morgen im Hotel etwas
getrunken.«
»Ich hole Ihnen eine Tasse.« Madsack stemmte sich in
die Höhe. »Wissen Sie was?«, ergänzte er. »Kommen Sie am besten mit. Wir haben
in der Abteilung zusammengelegt. Im Geschäftszimmer bei Frau Westerwelle steht
die Kaffeemaschine. Dort liegt eine Strichliste aus, und jeder, der sich einen
Kaffee holt, trägt sich dort ein. Sporadisch kassiert die Sekretärin dann.«
Madsack bewegt sich wie ein Teddybär, dachte Frauke,
als sie dem korpulenten Mann über den Flur folgte.
»Wir müssen uns bei Ihnen entschuldigen«, sagte er über
die Schulter. »Heute geht es recht turbulent bei uns zu. Sonst hätten wir Sie
bei den anderen Kollegen vorgestellt und Ihnen die Örtlichkeiten erläutert.
Wenn Sie möchten, nehme ich Sie mit in die Kantine. Es ist ja gleich Mittag.
Dann kann ich Ihnen zeigen, wie es bei uns funktioniert.« Er bog vom Flur in
das Geschäftszimmer ab.
»Hallo, Uschi«, sagte er zur Schreibkraft, die gerade
ein Telefonat führte und beiläufig nickte. Madsack zeigte auf Frauke. »Die neue
Kollegin möchte an unserer Kaffeerunde teilnehmen.«
Frauke fiel auf, dass es eine Feststellung und keine
Frage war. Dann erklärte ihr Madsack das Prozedere. »Milch? Zucker?«, fragte
er, nachdem er einen Becher gefüllt hatte.
»Danke. Schwarz.«
»Kommen Sie«, sagte er und trug ihren Becher zurück
bis in sein Büro.
Sie ließ sich auf der anderen Schreibtischseite
nieder.
»Es sieht aus, als wäre Ihr Start ein wenig holprig
gewesen«, sagte Madsack. Die klare feste Stimme passte gar nicht zur
äußerlichen Erscheinung. Wenn er sprach, wackelte das Doppelkinn, und die
Wangen gerieten in Bewegung.
Frauke nahm einen Schluck Kaffee. Er war heiß und
stark. Madsack hatte ihre Reaktion registriert.
»Schmeckt er Ihnen?«
Während Frauke nickte, hörte sie von der Tür her
Putensenfs Stimme. »Das ist der Unterschied zwischen unserer Frau Westerwelle
und der in Berlin. Unsere kann etwas.«
»Hast du nichts zu tun, Jakob?«, fragte Madsack.
»Das verstehst du nicht, Nathan. Frauen sind das
Wunderbarste, was der liebe Gott aus unserer Rippe hat schaffen können. Ich
könnte mir eine Welt ohne Frauen nicht vorstellen. Aber jeder hat seine
Bestimmung. Wir können keine Kinder bekommen, und Frauen sollten sich nicht
männlicher geben als wir Kerle selbst. Das ist schon alles.«
»Dann widme dich jetzt deinen maskulinen Aufgaben«,
sagte Madsack und erklärte, als Putensenf verschwunden war: »Sie dürfen seine
Verbalattacken nicht für bare Münze nehmen. Jakob ist so. Im Grunde seines
Herzens ist er ein guter Kollege. Und Richter hat vielleicht ein Problem mit
Ihrer Art. Ich freue mich jedenfalls, dass wir Verstärkung durch eine
hervorragende Fachkraft bekommen haben.« Er hob seinen Kaffeebecher und hielt
ihn Frauke hin. »Prost und willkommen.«
Nachdem Frauke ihren Kaffee abgestellt hatte, zeigte
Madsack auf ein halb volles Glas mit Fruchtbonbons, das auf der Ecke seines
Schreibtischs stand. »Sie dürfen sich gern bedienen. Es hat sich unter den
Kollegen eingebürgert, dass gelegentlich einer zum Plausch vorbeikommt. Und Sie
gehören ja nun auch zu uns.«
»Schön. Mich interessiert, in welcher Sache Sie schon
einmal gegen Marcello Manfredi ermittelt haben.«
»Das ist jetzt zwei Jahre her. Wie Sie vielleicht
wissen, hat Niedersachsen eine Einrichtung geschaffen, in der man den Behörden
anonym Verdachtsfälle melden kann. Das ist vielleicht nicht jedermanns Sache
und öffnet auch manchem Denunzianten Tür und Tor. Jedenfalls gab es einen
Hinweis, dass drüben im Oldenburgischen im großen Stil mit Gammelfleisch
gehandelt würde. Wir sind der Anzeige nachgegangen und haben mithilfe der
örtlichen Behörden tatsächlich vereinzelt Schlachtereien und Großhändler
gefunden, die mit für den menschlichen Verzehr nicht geeigneten Abfällen und
auch mit verdorbenem Fleisch gehandelt haben. Es war aber nicht das große Ding,
vor allem nicht die Fleischmafia, die angeblich im großen Stil dahinterstecken
sollte. Manfredi war einer der Händler, die damals unter Verdacht standen. Wir
konnten ihm aber nichts beweisen. Bernd Richter hat sich wie wild in die
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