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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
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Seidenkissen mit orientalischen Mustern dienten der Bequemlichkeit.
Ungeachtet allen Überflusses waren seine Gäste aber alles andere als zufrieden. Ich schmunzelte, denn Kodros’ Erben lagen im Streit. Charmides und Kritias zankten sich wie die Fischweiber, während Glaukon auf dem Boden saß, mit dem Oberkörper vor- und zurückwippte und sich die Ohren zuhielt wie ein Kind. Leider verstand ich nicht, worum es ging, denn obwohl Kritias und Charmides sich anschrien, kam kein klares Wort bei mir an. Der Baldachin schirmte nicht nur die Sonne, sondern auch den Schall ab, und ich konnte nur ahnen, dass die Auseinandersetzung, deren Zeuge ich war, etwas mit dem Besuch der Perser zu tun hatte. Da! Fiel da nicht der Name Perianders? Bei Gott, mir war so, aber ich könnte es nicht beschwören!
Dann im Haus ein Schatten und eine Bewegung. Etwas huschte am Fenster vorbei: kein Mann, das war sicher. Ein Knabe vielleicht, vielleicht ein Mädchen. Kritias wandte den Kopf, bedachte Charmides mit einer abfälligen Geste und ging hinein. War das möglich? Nein, ich hatte niemanden erkennen können. Zu schnell war die Gestalt am Fenster vorbeigehuscht. Charmides ließ sich auf eine Liege fallen und führte trotzig einen Becher zum Mund.
«Nikomachos, schön, dass du so pünktlich bist», grüßte Lysias mit lauter Stimme, stand von seinem niedrigen Tischchen auf und breitete die Arme aus. Er empfing mich in dem gleichen Arbeitszimmer, in dem ich ihn vor drei Tagen zusammen mit Sokrates hatte kennenlernen dürfen, und meiner Bekanntschaft mit dem Philosophen verdankte ich nun auch diese Begrüßung.
Auch zu Lysias hatte die persische Seide ihren Weg gefunden. Er trug eine Art Mantel aus diesem feinen Stoff, ein Gewand mit langen Ärmeln und einem breiten Gürtel, das blau-grün schimmerte und ständig seine Farbe wechselte – je nachdem, wie das Licht auf die Oberfläche fiel. Lysias bemerkte meinen Blick sofort. Er fasste den Stoff über seiner Brust und hielt ihn mir zur Begutachtung hin.
«Schön, nicht?», sagte er stolz. «Wenn du willst, kann ich dir ein paar Bahnen von diesem bemerkenswerten Tuch besorgen. Ich habe eine gute Quelle.»
«Ich danke dir, Lysias», entschuldigte ich mich so artig es ging, «vielen Dank, aber ich glaube, diese edle Arbeit passt nicht zu einem einfachen Hauptmann wie mir.»
Lysias sah mir direkt in die Augen und zog, wie es offenbar typisch für ihn war, eine Braue hoch.
«Du bist ein geschickter junger Grieche», sagte er unvermittelt. «Ich verstehe gut, wieso Sokrates dich so gern hat. Eigentlich wolltest du sagen, dass diese Seide vielleicht zu einem eitlen Metöken aus Sizilien wie mir, aber nicht zu einem attischen Soldaten wie dir passt. Um mich aber nicht vor den Kopf zu stoßen, spielst du den Bescheidenen. Nicht schlecht. Du hast eine der wichtigsten Grundregeln der Redekunst ganz von selbst entdeckt.»
Ich neigte mein Haupt, weil ich fürchtete, Lysias gekränkt zu haben.
«Bitte entschuldige, edler Lysias», sagte ich, «ich wollte dich nicht kränken. Es ist nicht so, dass mir dieser Stoff nicht gefiele oder ich meinen würde, er passe nicht zu einem Athener … Ich hatte eine etwas unangenehme Erfahrung auf dem persischen Frachtschiff, das diese Seide in unsere Stadt gebracht hat. Ich habe einen Fehler gemacht. Jetzt fühle ich mich immer daran erinnert, wenn ich die Seide sehe. Entschuldige.»
Lysias lachte mich breit an. «Und du überraschst mit Ehrlichkeit, ohne auf die Einzelheiten dieser unangenehmen Erfahrung weiter einzugehen. Wenn du keine Rednerschule besucht hast, dann bist du ein Naturtalent. Nur keine Sorge, du hast mich nicht gekränkt. Bitte setz dich doch zu mir.»
Lysias wies auf den niedrigen Tisch und klatschte zwei Mal in die Hände. Sofort öffnete sich eine Tür, und eine bildhübsche Sklavin steckte ihren Kopf durch den Spalt. Lysias gab ihr ein Zeichen, und die Tür schloss sich wieder. Kurze Zeit später erschien das Mädchen mit einem voll beladenen Tablett, um uns aufzuwarten. Wir sahen zu, wie die junge Frau Teller, Krüge, Becher und Schüsseln anrichtete. Ich konnte kaum die Augen von ihr lassen. Ihre Haut war dunkler als die Haut einer Hellenin, und ihre weißen Augenäpfel und hellen Zähne strahlten wie Perlen in einer Schale von Obsidian. Blauschwarz war ihr Haar und dabei vollkommen glatt. Sie trug es wie eine Priesterin in ihrem Nacken zu einem Knoten gebunden. Ein schlanker, geschmeidiger Körper zeichnete sich unter ihrem dünnen Kleid ab, ein

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