Mord Im Garten Eden
Langeweile zu entgehen, wurde zu einem Hobby, das sich schließlich zur Obsession auswuchs. Intime Stunden im Internet, um menschliche Diskurse einzufangen. Am Ende war es das Internet, das seinerseits Ophelia einfing. Denn als sie Justice kennenlernte, brach sie jede Grundregel richtigen Verhaltens im Cyberspace - sie verriet ihm das County, in dem sie wohnte, dann die Stadt und schließlich ihren richtigen Namen.
Es lag einiges in der Waagschale: ihr momentanes Leben etwa. Aber sie traf die Entscheidung leichten Herzens. Es war keine schwierige, aber eine folgenschwere Entscheidung, die ihre zehnjährige angestaubte Ehe beendete, ihren perspektivlosen Job und ihr ereignisloses Leben im Nirgendwo. Sie betete, dass es die richtige Entscheidung war , wenn schon keine moralische.
Der Vormittag, an dem sie beschloss, ihren Ehemann zu verlassen, hatte begonnen wie jeder andere. Brian stand wie üblich auf, duschte und rasierte sich, trampelte hinunter zum Frühstückstisch, nuschelte sein übliches »Morgen«. Er steckte zwei Scheiben dunkles Brot in den Toaster und goß sich eine Tasse Kaffee ein. Ophelia schenkte sich ihren Kaffee selbst ein und dachte an die Zeit, als Brian ihr nicht nur Java-Kaffee serviert, sondern ihn auch noch frisch gemahlen hatte. Ewige Zeiten war das her.
Sie betrachtete ihren Gefährten, versuchte, sich das Leben ohne ihn vorzustellen. Brian hatte sich gut gehalten. Mit fünfunddreißig hatte er immer noch volles Haar, eine faltenlose Haut und regelmäßige Gesichtszüge. Ein üppiges Leben hatte seine Taille gerundet, der früher flache Bauch war nicht mehr zu finden. Aber mit einem Gewicht von fünfundneunzig Kilo war er immer noch eine muskulöse und fitte Erscheinung. Das Körperliche war auch nicht das Problem. Ophelia fand ihn begehrenswert. Es war das allmähliche Abblättern seiner Liebe und Zuneigung, bis nur noch ein Schmatz auf die Wange und ein freundliches Tätscheln übriggeblieben waren.
Es war nicht ihre Absicht, sich in Justice zu verlieben, aber sie hatten so vieles gemeinsam. Darunter auch eine Sehnsucht nach mehr, nach Größerem. Er erzählte ihr, er sei in den Vierzigern, ebenfalls unglücklich verheiratet, in der letzten Phase einer Krise. Er hatte wie sie das Gefühl, das Leben ginge an ihm vorbei. Sie beide wollten mehr, hofften, das Sahnestückchen, nach dem sie sich so sehnten, in den Armen des anderen zu finden.
Brian ging zur üblichen Zeit zur Arbeit, sein Lächeln und die Art, wie er sich verabschiedete, waren so persönlich wie die Stimme des Autopiloten. Ophelia lächelte zurück. Und dann hörte sie die Tür ins Schloss fallen.
Was Brian wohl empfinden würde, wenn er ihre Nachricht las? Vermutlich wäre er schockiert, vor den Kopf gestoßen angesichts ihres Verrates, von seelischem Schmerz durchbohrt wie von einer Lanze. Eine ernste, jedoch nicht tödliche Wunde. Schließlich würde er sich in selbstgerechter Wut und Entrüstung ergehen. Es an ihr auslassen. Er hätte schwere Zeiten vor sich, aber wer wollte behaupten, dass das Leben einfach sei.
Allein im Haus, pochte ihr Herz vor Aufregung wie bei einem Teenager.
Sie würde es tatsächlich wagen.
Hinauf ins Schlafzimmer, den Koffer packen, ihn in den Kofferraum ihres Toyota Camry werfen. Den Geldtransfer hatte sie gestern abgeschlossen - zehntausend Dollar auf einem heimlichen Bankkonto auf die hohe Kante gelegt. Es fühlte sich nach Freiheit an und war berauschend wie ein alter Cabernet.
In Rekordzeit fuhr sie zur Arbeit.
Ihr Chef wartete an ihrem Schreibtisch, seine Schuhspitze tippte auf den Fußboden, eine Zornesfalte stand auf seiner Stirn. Er schob ihr einen Stapel Arbeit vor die Nase, bevor sie noch den Mantel ausziehen konnte.
Charles Lawrence Taft. Ein Schwein und penibler Bürokrat, ebenso doof wie kleinkariert. Sie wartete, bis er abgezogen war, und holte dann den dicken Umschlag aus ihrer Aktenmappe. Er enthielt ein fünfseitiges, einzeilig beschriebenes Dokument über jede unangemessene Aktion, die dieser Mann jemals durchgeführt hatte. Ebenfalls in dem Paket befanden sich heimliche Aufnahmen seiner anzüglichen Kommentare, seiner rassistischen Ausfälle und des hartherzigen Umgangstons gegenüber seinen Mitarbeitern. Das reichte nicht nur, um ihm fristlos zu kündigen, es reichte auch dazu, eine außergerichtliche Einigung mit der Firma sicherzustellen. Sie war der Auffassung, dass die Sache mit einer Viertelmillion aus der Welt geschafft werden
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