Mord Im Kloster
Schiffsrumpf geschlagen.«
»Was?« Die drei Gefährten riefen es gleichzeitig.
»Es war falsch, jetzt sehe ich es ein. Aber in der ersten Nacht unter Deck wollte ich, dass die ganze Welt untergeht.«
»Untergegangen wären nur wir«, sagte Uthman. »Dein Mann wäre am Leben geblieben.«
Wynfrith weinte wieder. Joshua gab ihr einen neuen, sauberen Lappen. Als sie wieder zu Atem kam, sagte sie: »Ach, ich bin so unglücklich! Ich wollte einfach nur weg von der Insel. Und jetzt – will ich schnell wieder zurück. Denn Jonathan braucht mich!«
»Meine Beste«, sagte Henri, »Ihr habt Glück, dass wir nicht beabsichtigen, den Kapitän zu informieren. Wisst Ihr, was Euch blüht, wenn wir ihm sagen, was Ihr getan habt?«
»Nein. Was denn?«
Die drei Gefährten sahen sich an.
Henri sagte: »Er könnte Euch nach dem Seerecht totschlagen. Und zu den Fischen ins Meer werfen.«
»Das dürfte er? Sind eigentlich alle Männer schlecht?«
»Das ist eine Frage des Standpunktes, meine Beste«, erwiderte Henri. »Wie wir an diesem Fall sehen, tragen Frauensbilder auch zu den Dingen bei. Oder fühlt Ihr Euch an allem unschuldig?«
»Nein, nein.«
»Wartet«, sagte Henri, »bis das Schiff repariert ist. Wir hatten zwar vor, über Land nach Brest zu reiten, aber ich denke, wir bleiben an Bord. Jemand muss ja auf Euch aufpassen. In Brest kaufen wir Euch eine Passage zurück nach Jersey. Seid Ihr einverstanden?«
»Ihr seid sehr freundlich. Und ich war sehr dumm.«
»Nun, Unglück ist immer ein schlechter Ratgeber«, sagte Joshua. Er erntete Wynfriths dankbare Blicke.
Zum Glück hatten Kapitän und Besatzung nichts von dem blinden Passagier bemerkt. Man war voll mit der Instandsetzung des Schiffsbodens beschäftigt. Und da auch die Arbeiten zügiger vorangingen als ursprünglich befürchtet, schienen die Dinge einen guten Ausgang zu nehmen. Die geladene Ware war nicht ernsthaft beschädigt worden.
Die drei Gefährten beschlossen, das Ende der Reparatur abzuwarten. Sie nahmen Wynfrith mit sich in den Ort, um sich zu erfrischen. Sie wuschen sich an einem der auffällig zahlreichen Brunnen und ließen sich in Sonne und Seewind trocknen. Jetzt kam die Anmut von Wynfrith richtig zur Geltung, und Henri wunderte sich noch einmal über ihre Ähnlichkeit mit Jenny Sandys.
Aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Denn Jenny, von der er so viel erzählt hatte, stand noch immer lebendig vor seinem geistigen Auge.
Nach einem kräftigenden Fischessen in einer Schenke fühlten sich alle pudelwohl. Von hier aus konnten sie den kleinen Hafen überblicken und sahen nun auch flandrische Schiffe. Als die Hulk noch am gleichen Abend repariert war, ging man schnell wieder an Bord. Die Fahrt konnte fortgesetzt werden. Wynfrith wurde als neue Passagierin mitgenommen.
Und als Henri bei der Weiterfahrt wieder in die Vergangenheit abtauchte und von den weiteren Geschehnissen in England im Jahr des Herrn 1300 erzählte, da richtete er seine Rede auch an Wynfrith. Und sie lauschte seinen Worten ganz gefangen, mit halb geöffneten Lippen.
8
Frühling 1300, in St. Albans
Entsetzen machte sich breit. Blut und Glauben, wie passte das zusammen? Die Mönche des Klosters St. Albans sahen düstere Prophezeiungen am Himmel aufziehen. Hatten sie gefrevelt? Hatte der Herr sich von ihnen abgewendet?
Irgendwo im Hintergrund hatte sich der Spalt zu einer Tür geöffnet, durch die das Böse ungehindert eintrat. Jetzt ging das Entsetzen um.
Henri de Roslin wusste nicht, wo er ansetzen sollte. Die Mauer des Schweigens und der falschen Urteile, die sich mitten durch das Kloster zog, wurde nun noch höher. Niemand wollte mit ihm sprechen. Wenn er auftrat, wendeten sich die Benediktiner ab. Und die Konversen ließen sich ohnehin nur noch zu ihren Arbeitsverpflichtungen blicken und schwiegen. Sie wirkten apathisch und hatten es aufgegeben, einen eigenen Abt zu wählen. Sie trugen jetzt Schuhe.
Henri und Neville grübelten darüber nach, was zu tun war. Das Kloster glich einem Ort, der die Schrecken anzog, wie ein Verhängnis lag die ungute Stimmung über allem. Wie sollte hier Aufklärung möglich sein?
Sie brauchten unbedingt Bündnispartner. Wenn sie diese im Kloster nicht fanden, sollten sie dann nicht zur Burg des Fürsten Edmonton reiten und dort Hilfe suchen? Vielleicht konnten sie noch einmal mit Alissa sprechen und auf eine neue Spur kommen. Oder sollten sie den Fall einfach aufgeben? Die Behörden aber würden sich nicht
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