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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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einem Glas Wasser; noch ein Glas – leer; eine Flasche Mineralwasser; ein großer Flakon und ein Aschenbecher, in dem ein Zigarrenstummel, ein paar verkohlte Papierschnipsel und zwei abgebrannte Zündhölzer lagen.
    Der Arzt nahm das leere Glas und schnupperte daran.
    «Hier ist die Erklärung für die Tatenlosigkeit des Opfers», sagte er ruhig.
    «Betäubt?»
    «Ja.»
    Poirot nickte. Er nahm die beiden Zündhölzer und besah sie sich sehr genau.
    «Haben Sie einen Hinweis gefunden?», wollte der kleine Doktor neugierig wissen.
    «Es sind zwei Zündhölzer von unterschiedlicher Form», antwortete Poirot. «Sehen Sie her, das eine ist flacher als das andere.»
    «Solche bekommt man hier im Zug», sagte der Arzt. «In Pappheftchen.»
    Poirot tastete die Taschen von Ratchetts Kleidung durch. Bald fand er eine Schachtel Zündhölzer. Er verglich sie mit den anderen.
    «Das rundere hat Mr. Ratchett selbst angezündet», sagte er. «Sehen wir mal, ob er auch welche von den flacheren hat.»
    Aber es kamen keine weiteren Zündhölzer zum Vorschein.
    Poirots Blick huschte im Abteil hin und her. Seine leuchtenden Augen waren so scharf wie die eines Vogels. Man hatte den Eindruck, dass ihnen nichts entging.
    Mit einem leisen Ausruf bückte er sich plötzlich und hob etwas vom Boden auf.
    Es war ein zierliches Tüchlein aus feinstem Batist. «Unser guter chef de train hatte doch Recht», sagte er. «Es ist eine Frau im Spiel.
    Und entgegenkommenderweise», fuhr er fort, «hat sie uns ihr Taschentuch hinterlassen. Wie im Roman oder im Kino – und um es uns noch leichter zu machen, ist sogar ein gesticktes Monogramm darauf.»
    «Welch ein Glückfall für uns!», rief der Arzt.
    «Nicht wahr?», meinte Poirot.
    Etwas in seinem Ton erstaunte den Arzt. Aber ehe er um Aufklärung bitten konnte, bückte Poirot sich schon wieder.
    Diesmal streckte der Detektiv ihm die offene Hand entgegen. Darauf lag ein Pfeifenreiniger.
    «Gehörte er vielleicht Mr. Ratchett?», spekulierte der Arzt.
    «In keiner seiner Taschen findet sich eine Pfeife, und weder Tabak noch ein Tabaksbeutel.»
    «Dann ist es ein Hinweis.»
    «Eindeutig ja. Und wieder wurde er entgegenkommenderweise hier fallen gelassen. Aber diesmal ist es ein Hinweis auf einen Mann, wohlgemerkt. Über einen Mangel an Hinweisen kann man sich in diesem Fall wahrhaftig nicht beklagen. Was haben Sie übrigens mit der Tatwaffe gemacht?»
    «Von einer Tatwaffe war nichts zu sehen. Der Mörder muss sie wieder mitgenommen haben.»
    «Und ich frage mich, warum», überlegte Poirot.
    «Ah!» Der Doktor hatte vorsichtig die Schlafanzugtaschen des Toten durchsucht. «Das habe ich übersehen», sagte er. «Ich hatte die Jacke aufgeknöpft und zurückgeschlagen.»
    Damit zog er aus der Brusttasche eine goldene Uhr. Das Gehäuse hatte eine kräftige Delle, und die Zeiger standen auf Viertel nach eins.
    «Sehen Sie?», rief Dr. Constantine aufgeregt. «Das verrät uns die Tatzeit. Sie stimmt mit meinen Berechnungen überein. Zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens, habe ich gesagt, und wahrscheinlich gegen ein Uhr, obwohl man sich in solchen Dingen schwer festlegen kann. Eh bien, hier haben wir die Bestätigung. Viertel nach eins. Das ist die Tatzeit.»
    «Möglich. Möglich ist es auf jeden Fall.»
    Der Arzt beäugte ihn neugierig.
    «Verzeihen Sie, Monsieur Poirot, aber ich verstehe Sie nicht ganz.»
    «Ich verstehe es selbst nicht», sagte Poirot. «Ich verstehe überhaupt nichts, und wie Sie wohl merken, bereitet mir das einiges Kopfzerbrechen.»
    Er beugte sich seufzend über das Tischchen und betrachtete die verkohlten Papierschnipsel. Dabei brummelte er ständig vor sich hin.
    «Was ich jetzt brauchen könnte, wäre eine altmodische Damenhutschachtel.»
    Dr. Constantine wusste mit dieser kuriosen Aussage nun gar nichts anzufangen. Aber Poirot ließ ihm keine Zeit zum Nachfragen. Er öffnete die Tür zum Gang und rief nach dem Schaffner.
    Der kam im Laufschritt herbeigeeilt.
    «Wie viele Damen sind in diesem Wagen?»
    Der Schaffner zählte sie an den Fingern ab.
    «Eine, zwei, drei – sechs, Monsieur. Die alte Amerikanerin, eine Schwedin, die junge Engländerin, die Gräfin Andrenyi und die Fürstin Dragomiroff mit ihrer Zofe.»
    Poirot dachte nach.
    «Und alle haben Hutschachteln bei sich?»
    «Ja, Monsieur.»
    «Dann bringen Sie mir bitte – Moment – die der Schwedin und die der Zofe. Diese beiden sind meine einzige Hoffnung. Sagen Sie den Damen, es hätte etwas mit den

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