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Mord im Spiegel

Mord im Spiegel

Titel: Mord im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sterben. Nichts als Theorie, die vielleicht gar nichts wert war, dachte Craddock, während er Ella Zielinsky gegenüber ein paar freundliche Bemerkungen fallen ließ.
    Plötzlich fragte er: »Eines würde ich gern noch wissen, Miss Zielinsky. Eine Firma aus Market Basing lieferte das Buffet, stimmt das?«
    »Ja.«
    »Warum wurde diese Firma ausgesucht?«
    »Das weiß ich eigentlich auch nicht«, antwortete Ella. »Um so etwas kümmere ich mich nicht. Ich weiß nur, dass Mr Rudd es taktvoller fand, ein ortsansässiges Geschäft zu beauftragen als ein Unternehmen in London. Die ganze Sache war uns nicht besonders wichtig.«
    »Ich verstehe.« Er beobachtete sie, wie sie mit gerunzelter Stirn dastand und zu Boden starrte. Eine gute Stirn, ein energisches Kinn, eine Figur, die eigentlich ziemlich üppig war, was sie aber durch ein streng geschnittenes Kleid verbarg, ein energischer Mund – ein gieriger Mund. Und die Augen? Überrascht entdeckte er, dass ihre Lider gerötet waren. Hatte sie geweint? Es schien so. Dabei hätte er geschworen, dass sie nicht der Typ der jungen Frau war, die weinte. Sie blickte auf, und als könne sie in seinen Gedanken lesen, nahm sie ein Taschentuch aus der Tasche und schnäuzte sich.
    »Sie sind erkältet«, sagte er.
    »Nicht erkältet. Es ist ein Heuschnupfen. Ich bin allergisch. Um diese Jahreszeit habe ich ihn immer.«
    Ein leises Summen ertönte. Zwei Telefone standen da, eines auf dem Schreibtisch, das andere auf einem kleinen Ecktisch. Ella ging hinüber und nahm den Hörer ab.
    »Ja«, sagte sie, »er ist da. Ich bringe ihn sofort zu Ihnen.« Sie legte auf. »Marina ist bereit«, sagte sie.
     
    Marina Gregg empfing Chefinspektor Craddock in einem Raum im ersten Stock, der offenbar ihr privates Wohnzimmer war und eine Verbindungstür zu ihrem Schlafzimmer besaß. Nach all den Berichten über ihren Zusammenbruch und ihren schlechten Gesundheitszustand hatte Craddock erwartet, dass Marina Gregg schwach und kränklich sein würde. Marina Gregg ruhte zwar auf einem Sofa, doch ihre Stimme war kräftig und ihre Augen glänzten. Sie hatte sehr wenig Make-up aufgetragen. Trotzdem merkte man ihr ihr Alter nicht an. Craddock war von ihrer strahlenden Schönheit betroffen. Was für eine klare Linie der Wangenknochen, was für ein schönes Kinn! Wie herrlich umrahmte ihr langes Haar ihr Gesicht. Die großen meergrünen Augen, die schmalen Brauen und das warme Lächeln strahlten einen großen Zauber aus.
    »Sie sind Chefinspektor Craddock?«, sagte sie. »Ich habe mich schrecklich benommen. Bitte, verzeihen Sie mir! Es war einfach zu viel für mich. Was für eine entsetzliche Geschichte. Ich hätte mich zusammenreißen müssen, aber ich schaffte es nicht. Ich schäme mich.« Sie lächelte reuevoll.
    Ihre Mundwinkel zogen sich nach oben. Sie reichte ihm die Hand, die er freundlich drückte.
    »Es ist doch ganz normal«, sagte er, »dass Sie sich aufgeregt haben.«
    »Nun, wir haben uns alle sehr aufgeregt«, antwortete sie, »aber ich hatte kein Recht, mich mehr aufzuregen als die andern.«
    »Wirklich nicht?«
    Sie musterte ihn schweigend und nickte schließlich. »Ja«, sagte sie, »Sie sind sehr klug. Doch, ich hatte einen Grund.« Sie blickte in ihren Schoß und fuhr mit dem einen langen Zeigefinger über die Sofalehne, eine Bewegung, die er einmal in einem ihrer Filme gesehen hatte. Eine nichts sagende Geste, die trotzdem voll Bedeutung zu sein schien, voll nachdenklicher Zärtlichkeit.
    »Ich bin feige«, sagte sie, die Augen immer noch gesenkt. »Jemand wollte mich töten, und ich wollte nicht sterben.«
    »Wieso glauben Sie, dass Sie das Opfer sein sollten?«
    Ihre Augen weiteten sich erstaunt. »Weil es mein Glas war. Mein Cocktail, in dem die Überdosis war. Ein trauriger Irrtum, dass die arme Frau ihn trank. Das ist das Entsetzliche an der Geschichte. Außerdem …«
    »Außerdem?«
    Sie schien nicht zu wissen, wie sie fortfahren sollte.
    »Es gab einen triftigen Grund für Ihre Annahme?«, forschte Craddock.
    Sie nickte.
    »Was für einen Grund?«
    Sie schwieg lange, ehe sie antwortete. »Jason meint, ich solle Ihnen alles erzählen.«
    »Sie haben sich ihm also anvertraut?«
    »Ja. Zuerst wollte ich es nicht – doch Doktor Gilchrist bestand darauf. Und dann entdeckte ich, dass er auch schon daran gedacht hatte. Die ganze Zeit… es ist sehr seltsam…«
    Ein trauriges Lächeln lag auf ihren Lippen. »… er wollte mich nicht beunruhigen. Mein Gott!« Mit einer energischen Bewegung

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