Mord in Babelsberg
ja, wie das manchmal ist.«
»Oh, ja.« Leo erinnerte sich nur zu gut, wie er damals nach Berlin gegangen war, um die Ausbildung bei der Polizei zu beginnen, während Ilse zu Hause bei den Eltern bleiben musste.Zum Glück hatte sie die Stelle in Magda Schotts Praxis gefunden, wofür er der Ärztin ewig dankbar sein würde. »Sie sollten Sie darin unterstützen«, fügte Leo hinzu.
Er spürte Sonnenscheins überraschten Blick.
»Ich spreche aus Erfahrung«, meinte er mit dem ersten Lächeln des Tages. Dann bog er schwungvoll von der Leipziger Straße nach links in die Wilhelmstraße ab. Hier waren viele förmlich gekleidete Herren mit Aktentaschen in ihre Ministerien unterwegs.
»Gut, ich werde daran denken«, sagte Sonnenschein ernsthaft. Selbst bei privaten Gesprächen kam es Leo bisweilen vor, als mache sich der Kollege im Geist Notizen.
Sie überquerten den Landwehrkanal und gelangten auf die Belle-Alliance-Straße. Als Leo nach rechts in die Yorckstraße abbog, sah er schon die Wagen der Kollegen vor dem Eingang zu Riehmers Hofgarten stehen. Walther hatte die Beamten um sich versammelt und deutete auf die Häuser, in denen sie ihre Befragung fortsetzen würden. Leo stellte den Wagen ab und überquerte mit Sonnenschein die Straße.
Als er die Gruppe erreicht hatte, blieb er stehen. »Robert?«
Sein Freund drehte sich um und sah ihn wortlos an.
»Alles bereit?«
Walther nickte nur.
»Gut. Wir sehen uns später im Präsidium.«
Leo spürte seinen Blick im Rücken, als er mit Sonnenschein in den Innenhof trat und zu dem Haus ging, in dem Marlene Dornow gewohnt hatte.
Als die Ladenglocke klingelte, stieg Clara von der Leiter und legte die Bücher, die sie gerade einräumen wollte, auf einen Tisch. Sie hatte sich in den vergangenen Wochen damit beschäftigt, den Laden umzugestalten, um die Leihbücherei deutlicher von der Buchhandlung zu trennen. Dazu hatte sie die Regale in unterschiedlichen Farben gestrichen –weiß für die Bücher, die sie verkaufte; zartblau für die Leihbücher.
»Das sieht schon sehr gut aus«, sagte Ilse und schaute sich um. »Hell und freundlich.«
Clara schob sich die Haare aus der Stirn. »Es wird allmählich.« Sie deutete auf drei große Kartons, die sich hinter ihr stapelten. Ein Funkeln trat in ihre Augen. »Habe ich dir erzählt, dass ein Professor von der Universität bei mir war und sich meine englischen Bücher angeschaut hat? Er hat gesagt, wenn ich so weitermache, schickt er seine Studenten, die in der Gegend wohnen, damit sie bei mir kaufen.« Sie schaute Ilse erwartungsvoll an.
»Das klingt sehr gut.« Ilse war keine große Leserin, das wusste Clara, aber sie und ihre Schwägerin verstanden sich inzwischen so gut, dass sie solche Neuigkeiten gern mit ihr teilte.
Sie griff nach einem der Bücher, die sie vorhin hatte einräumen wollen, und strich liebevoll über den Einband. A Man Could Stand Up von Ford Madox Ford. »Das hier ist wunderbar. Der dritte Roman einer Reihe. Ganz außergewöhnlich. Und hier, Mrs. Dalloway von Virginia Woolf.«
Dann deutete sie auf einen Stuhl. »Setz dich doch.« Sie sah auf die Uhr. »Fast Mittag. Die Kinder kommen heute etwas später, ich habe ihnen die Suppe auf den Herd gestellt.«
Ilse schaute sie lächelnd an. »Es geht dir gut.«
Clara hockte sich auf die Leiter und strich ihre grüne Bluse glatt. »Ja. Ich habe mit Leo gesprochen, noch am selben Abend. Er … es ist alles in Ordnung.«
»Da bin ich aber froh. Ich wollte nur mal nach dir sehen, du weißt schon, nachdem du Magda und mir davon erzählt hattest.«
Clara stand auf und machte sich in einer Ecke zu schaffen. Dann kam sie mit zwei Gläsern Wasser zurück, in die sie Waldmeistersirup gerührt hatte. »Bisschen warm für Kaffee.«
»Danke.« Ilse nahm das Glas entgegen. »Ich bin froh, dassihr darüber gesprochen habt. Leo … ach.« Sie machte eine Handbewegung, als wollte sie etwas beiseiteschieben.
Clara lachte. »Die große Schwester, die sich Sorgen um ihren Bruder macht. Gib es ruhig zu.«
Ilse wurde ein wenig rot, sie war zurückhaltender als ihre Schwägerin und konnte deren sanfte Ironie manchmal nicht richtig deuten. »Unsinn.«
»Ich kenne dich inzwischen. Du wirst immer dann barsch, wenn dir an jemandem liegt. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Er war gestern ziemlich bedrückt und ist heute Morgen sehr früh aus dem Haus gegangen, aber das hatte nichts mit uns zu tun, sondern mit diesem schrecklichen Mordfall in Breslau. Du hast sicher davon
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