Mord in Babelsberg
schicken Sie ihn bitte herauf.«
Sie zögerte, als behagte es ihr nicht, die Polizei allein in die Wohnung zu lassen.
»Danke für Ihre Hilfe. Wir melden uns, falls wir Sie brauchen.« Leo bemühte sich, nicht barsch zu klingen, doch er wollte sich auf die Arbeit konzentrieren. Er und Sonnenschein zogen Handschuhe über. Da es sich nicht um einen Raubmord handelte, war zu vermuten, dass das Opfer den Täter gekannt hatte. Gut möglich, dass Marlene Dornow ihn am Tag des Mordes oder zu einem früheren Zeitpunkt in der Wohnung empfangen hatte und sie Fingerabdrücke fanden.
Sie ließen die Tür für Delbrück angelehnt und traten in den Flur. Es roch nach einem teuren Parfüm. Leo ging langsam durch die Wohnung, ließ die Stille auf sich wirken und betrachtete die Einrichtung, die so anders war als die, an die er sich erinnerte.
Das Wohnzimmer war ein Ensemble in Weiß und Chrom – Sofa und Sessel aus weißem Leder mit Chromrahmen, einweißer Teppich auf honigbraunen Dielen, Beistelltische und Regale, alles in schimmerndem Metall und kühlem Weiß. Keine Pflanzen, nirgendwo die Farbe Grün. Die Bilder an den Wänden waren ebenfalls in hellen Tönen gehalten, die sich nahtlos ins Gesamtbild fügten. Er spürte einen irrationalen Ärger. Er liebte Kunst und hätte sie nie danach ausgesucht, ob sie zur Einrichtung seiner Wohnung passte. Die Bilder sahen aus, als wären sie zur Ergänzung des Mobiliars gekauft worden, so wie manche Leute Bücher meterweise und nach Farben sortiert kauften, um ihre Bibliothek zu füllen.
»Herr Wechsler, soll ich schon mal in die anderen Räume gehen?«, ließ sich Sonnenschein mit der üblichen höflichen Zurückhaltung vernehmen.
Leo drehte sich abrupt um. »Verzeihung, ich war in Gedanken. Ich übernehme Küche und Schlafzimmer, Sie Bad und Wohnzimmer.«
Die Küche war modern ausgestattet, es fehlte an keiner Annehmlichkeit. Ein neuer Gasherd, glatte Oberflächen. Das Spülbecken war makellos sauber. Er schaute in die Schränke. Viele haltbare Lebensmittel – Mehl, Nudeln, Reis, Graupen. Im Eisschrank Milch, Eier, drei Flaschen Sekt. Marlen war nie eine große Köchin gewesen.
Kein Hinweis auf einen Gast, keine Gläser, kein benutztes Geschirr. Leo wartete noch auf den Obduktionsbericht. Dr. Albertz hatte geschätzt, dass der Tod fünf bis sechs Stunden vor Auffinden der Leiche eingetreten war. Schmehl war um Viertel nach sieben vor Ort gewesen, also musste Marlen etwa zwischen eins und zwei gestorben sein. Vermutlich war sie ausgegangen, wie sie es abends fast immer tat, und kurz vor der Haustür getötet worden. Der Täter war vielleicht sogar mit ihr aus gewesen und hatte sie nach Hause begleitet. Oder er hatte ihr aufgelauert, als sie auf einer der drei umliegenden Straßen aus einem Taxi oder einem Privatwagen gestiegen und in den Innenhof gegangen war.
Es klopfte. Leo schaute in den Flur, wo Paul Delbrück gerade mit einem Kollegen hereinkam. »Morgen. Wo sollen wir anfangen?«
Leo deutete auf die Küche. »Hier drinnen. Aber es sieht aus, als wäre nicht viel zu holen.«
Er trat beiseite, um die Kollegen durchzulassen, und warf einen Blick ins Wohnzimmer, wo Sonnenschein gerade den weißen Teppich in Augenschein nahm. Er zögerte, bevor er mit zwei Fingern vorsichtig die Klinke der Schlafzimmertür hinunterdrückte.
Etwas in ihm sträubte sich dagegen, diesen Raum dem Kollegen zu überlassen, ein Gefühl, das er selbst nicht benennen konnte. Er hatte Marlen seit Jahren nicht gesehen, erinnerte sich aber an eine Zeit, in der sie ihm manchmal ein Zufluchtsort voller Wärme gewesen war, an dem er die Arbeit und die ermüdenden Auseinandersetzungen mit Ilse für ein paar Stunden vergessen konnte. Er hatte Ilses Worte nicht vergessen. »Du hast ja Marlen.« Sie waren nicht für ihn bestimmt gewesen, doch er hatte sie gehört und sich geschämt und war trotzdem zu ihr gegangen.
Als Leo die Tür öffnete, hielt er auf der Schwelle inne. Schaute über die Schulter in den Flur. Rief sich Küche und Wohnzimmer in Erinnerung, die modernen Möbel, Chrom, Glas, weißes Leder. Klare Linien, rechte Winkel, nichts Verspieltes, keine Schnörkel.
Auch das Schlafzimmer war in diesem Stil gehalten – bis auf das Bett, das sich wie ein Fremdkörper darin ausnahm. Breit, solide, mit einem geschnitzten Kopfende. Das Bett aus ihrer alten Wohnung.
Das Zimmer sah aus, als könnte seine Bewohnerin jeden Augenblick hereinkommen, die Bettdecke zurückschlagen und sich mit einem Buch
Weitere Kostenlose Bücher