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Mord in Babelsberg

Mord in Babelsberg

Titel: Mord in Babelsberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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getrunken hatten. Clara war kurz angebunden gewesen, als Leo ihr am Telefon von der Verabredung erzählthatte; andererseits war nichts Verwerfliches daran, mit Kollegen abends auszugehen. Damit versuchte er sich zu beruhigen.
    »Es ist gleich hier um die Ecke in der Charlottenstraße. Es wird Ihnen sicher gefallen, Sonnenschein«, sagte Walther und blieb vor einem Haus mit prächtiger Fassade stehen, in dem sich ein elegantes Restaurant befand. Ein Portier hielt gerade einigen Gästen, die aus einer chauffeurgesteuerten Limousine gestiegen waren, die Tür auf. Daneben führten drei Stufen zu einer unauffälligen Tür hinunter. Ein schlichter, beleuchteter Schriftzug kündigte den Continental-Keller an. Der Schaukasten neben der Tür warb für die »Continental-Nacht«, die an jedem Donnerstag stattfand. »Heute im Continental  – morgen auf den Bühnen Europas.«
    Sie betraten einen Vorraum, in dem sie ein Mann im Frack empfing, ein kleines Eintrittsgeld kassierte und ihre Hüte entgegennahm. »Ansonsten keine Garderobe? Hier entlang, meine Herren.«
    Der Raum war klein, etwa hundert Sitzplätze, schätzte Leo. Weiße Tischtücher, Sektkübel, an der Wand eine schmale Theke. Eine winzige Bühne mit Klavier, auf der ein Zauberkünstler damit beschäftigt war, ein offenkundig ausgestopftes Kaninchen aus einem Zylinder zu ziehen.
    Sie bestellten eine Flasche Sekt, und Sonnenschein beugte sich vor, nachdem er vorsichtig nach links und rechts geschaut hatte. »Ich hoffe wirklich, dass es hier nicht wie bei diesen ›Namenlosen‹ zugeht. Der dortige Besitzer verspricht den Leuten das Blaue vom Himmel – Geld, Karriere, Verträge mit großen Bühnen, was man sich nur denken kann. Und dann stellt er die Leute bloß.«
    Von der Bühne ertönte ein Schrei, als jemand ein Sektglas nach dem unglückseligen Magier warf, der gerade noch ausweichen konnte. Leo schaute über die Schulter und drehte sich wieder zu seinen Kollegen. »Ich weiß ja nicht, wie es anderswo zugeht, aber …« Er musste sich das Lachen verbeißen.
    Walther war blass geworden. »Es ist sehr schwer, in Berlin Fuß zu fassen«, sagte er entschuldigend. »Es gibt so viele Künstler, die es hier zu etwas bringen wollen, und auf eine Sängerin, die Erfolg hat, kommen zwanzig, die tagsüber als Verkäuferin arbeiten. Wenn sie Glück haben. Jenny macht das auch, in einem Blumengeschäft.«
    Leo zog eine Augenbraue hoch, als er sah, wie sich der Mann auf der Bühne mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn wischte.
    »Säg uns mal ’ne Frau durch«, rief ein Herr zwei Tische weiter.
    »Dit blöde Karnickel will doch keener sehn«, tönte eine Frauenstimme.
    Leo klopfte Walther beruhigend auf die Schulter. »Mach dir keine Sorgen wegen deiner Jenny. Das wird schon.«
    Walther schluckte.
    Nachdem der Zauberkünstler unter Buhrufen die Bühne verlassen hatte, betrat ein halbseiden wirkender Conférencier das Podium und spähte herablassend ins Publikum. »Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, nachdem dieser Auftritt leider nicht ganz so wohlwollend aufgenommen wurde, hoffe ich doch, mit dem nächsten Künstler wieder Ihren Geschmack zu treffen.«
    Johlen und Klatschen.
    »Verehrte Gäste, ich darf Ihnen nun Max Striese, den neuen Stern unter den Bauchrednern, vorstellen! Max und sein Hase Fridolin!« Er deutete mit einer ausholenden Geste auf einen beleibten jungen Mann, der bereits schwitzend die Bühne betrat. Unglücklicherweise hatte er sich für einen hellen Sommeranzug entschieden, der deutliche Flecken unter den Achseln aufwies. Auf dem runden Kopf balancierte er einen Strohhut, der jeden Augenblick herunterzufallen drohte.
    Auf seiner linken Hand steckte eine große Hasenpuppe, die sich nun vor den Zuschauern verbeugte.
    Leo hatte den Kopf auf die verschränkten Arme gebettet, während Sonnenschein mit einer Mischung aus Grauen und Faszination zur Bühne schaute und Walther seinen Sekt verzweifelt in einem Zug herunterkippte.
    »Unterhalten sich zwei Nachbarinnen«, begann der Hase. »Fragt die eine: ›Stimmt es, dass Ihr Gatte seit drei Monaten vermisst wird?‹ Sagt die andere: ›Kann schon sein, aber nicht von mir.‹«
    Ein Ei zerschellte knapp neben dem Kopf des Bauchredners an der Wand.
    »Na sag mal, Fridolin, hast du uns denn noch mehr lustige Geschichten mitgebracht?«
    Der Hase nickte eifrig. »Kommt ein Skelett zum Arzt. Sagt der Arzt: ›Sie kommen aber reichlich spät!‹«
    Die Mundbewegungen des Mannes waren so grotesk

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