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Mord in Babelsberg

Mord in Babelsberg

Titel: Mord in Babelsberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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Telefon klingelte. »Wechsler. Ja, stellen Sie durch.«
    Er griff zum Notizblock, notierte etwas, bedankte sich und hängte ein. Dann sah er Walther triumphierend an. »Das wardas richtige Stichwort. Jemand hat sie erkannt.« Er riss den Zettel ab und hielt ihn in die Höhe. »Wir fahren nach Wittenau.«
    »Aujust, haste dit jesehn?«
    August Gerber blieb unwillig stehen, als er die Stimme des Zeitungshändlers hörte. Er war spät dran, hatte noch bei der Frau eines inhaftierten Kollegen vorbeigeschaut, die Probleme mit der Fürsorge hatte. Er konnte es sich nicht leisten, unpünktlich zur Arbeit zu kommen.
    »Was hast du denn da?«, fragte er den Mann, der in der Tür seines Ladens stand und die Morgenpost schwenkte.
    »Is dit nich deine Johanna?« Er hielt ihm die ausgebreitete Zeitung hin. Auf der rechten Seite waren zwei Zeichnungen abgedruckt, auf denen eine Frau zu sehen war. Dieselbe Frau, auch wenn sich die Darstellungen leicht unterschieden.
    Gerber trat abrupt auf den Mann zu und riss ihm die Zeitung fast aus der Hand.
    »Zehn Pfennje, wenn ick bitten darf.«
    Er griff in die Tasche, holte die Münze heraus und drückte sie dem Zeitungshändler achtlos in die Hand.
    Gerber wurde mehrfach angerempelt, als er wie betäubt weiterging, die Zeitung in der Hand, den Kopf gesenkt. Er vergaß fast, in die Straßenbahn zu steigen, lehnte sich drinnen ans Fenster und schaute hinaus, ohne etwas zu sehen.
    Sie fuhren auf den breiten Durchgangsstraßen nach Nordosten und kamen gegen elf in der Oranienburger Straße in Wittenau an. Leo war vor Jahren schon einmal beruflich hier gewesen und erinnerte sich daran, wie stark er den Kontrast zwischen dem wunderbar grünen, parkähnlichen Gelände und dem Elend empfunden hatte, das sich hinter den Mauern der Pavillons abspielte, in denen die Kranken untergebracht waren. Im Gegensatz zu früher waren die Lebensbedingungender geistig Kranken deutlich besser geworden, doch die Anstalt war ständig überbelegt.
    Sie meldeten sich am Torhaus an und fuhren zwischen Bäumen hindurch und an einer weitläufigen Rasenfläche vorbei. Dahinter lag das Verwaltungsgebäude, ein schlossähnlicher Bau aus gelbem und rotem Klinker, dessen Portal von zwei Türmchen gekrönt wurde.
    Ein Dr. Hartung hatte Leo am Telefon erklärt, er habe die Frau auf den Bildern als eine seiner Patientinnen erkannt.
    Sie stellten den Wagen ab und betraten das Gebäude durch die hohe Doppeltür, hinter der sich die Eingangshalle befand. Eine Frau in Schwesternkleidung begrüßte sie.
    »Dr. Hartung erwartet Sie.«
    Sie führte sie in den ersten Stock und klopfte an eine Tür. »Die Herren von der Kriminalpolizei.«
    Bevor die ältere Sekretärin aufstehen und sie ins Büro des Arztes führen konnte, öffnete sich bereits die Tür. Ein hagerer Mann von Anfang fünfzig mit grauem Haarkranz kam ihnen mit ausgestreckter Hand entgegen. »Erich Hartung. Kommen Sie bitte herein.«
    Leo stellte sich und Walther vor, dann nahmen sie auf den angebotenen Stühlen Platz. Der Schreibtisch verschwand fast unter Stapeln von Akten und Büchern, ansonsten war der Raum überaus ordentlich. Auf der Fensterbank standen Grünpflanzen, an der Wand hingen nur die Promotionsurkunde und ein großes gerahmtes Foto, das eine hübsche Frau um die vierzig zeigte. Leo bemerkte, dass das Foto genau gegenüber vom Schreibtisch hing, sodass die Frau dem Arzt entgegenlächelte, wann immer er bei der Arbeit den Kopf hob.
    »Meine verstorbene Frau  – mehr Wandschmuck brauche ich nicht.«
    »Mein Beileid.«
    »Es ist drei Jahre her.«
    »Das spielt doch keine Rolle«, sagte Leo.
    Der Arzt sah ihn prüfend an, ging aber nicht auf die Bemerkung ein. »Meine Herren, Sie wissen, warum ich Sie angerufen habe.« Er klopfte mit dem Zeigefinger auf die aufgeschlagene Morgenpost . »Ich habe eine Weile mit mir gerungen, ob ich mich an Sie wenden sollte. Wegen der Schweigepflicht.«
    »Dessen bin ich mir bewusst. Aber es geht um zwei Morde. Die Frau, die wir suchen, könnte eine wichtige Zeugin sein.«
    »Das allein rechtfertigt mein Vorgehen nicht. Aber ich habe die irrationale Hoffnung, dass es ihr helfen könnte.« Der Arzt schlug eine Akte auf und las vor: »Am 14. Mai 1926 wurde die Patientin Johanna Gerber, von Beruf Schneidergesellin, geboren am 3. Oktober 1904 in Berlin, in die Wittenauer Heilstätten eingeliefert. Zuvor war sie eine Woche in der Charité gewesen, wo man sie erfolglos behandelt hatte und zu dem Schluss gelangt war, dass sie in eine

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