Mord in Babelsberg
eine Spritze hervor und setzte sie ihr mit einer geschickten Bewegung in den Arm. Dann ließ er sich auf der Bettkante nieder, drückte die Hand auf Johanna Gerbers Schulter und wartete, bis sie sich beruhigt hatte. Als ihr Schluchzen verklang, zog er ihr die Decke über die Schultern, stand auf und winkte die Kriminalbeamten hinaus.
Sonnenschein hatte Egon Dornow ins Leichenschauhaus begleitet, wo ein Bestatter auf sie wartete und dem alten Mann behutsam die Formalitäten erklärte. Sonnenschein wollte helfen, wartete aber auch ungeduldig darauf, ins Präsidium zurückzukehren. Die Ermittlungen kamen in Fahrt, und er wollte gern dabei sein.
Dornow und der Bestatter vereinbarten, dass der Sarg am nächsten Tag zum Bahnhof gebracht würde. Dann begleitete Sonnenschein ihn in die Wohnung seiner Tochter, die er sich äußerlich ungerührt anschaute. Er ging langsam umher, strich geistesabwesend über das eine oder andere Möbelstück, nahm aber nichts in die Hand und stellte keine Fragen.
»Manche Dinge fehlen, die haben wir zur Untersuchung mitgenommen«, sagte Sonnenschein zuvorkommend. »Sie gehören selbstverständlich Ihnen und werden in Kürze freigegeben.«
»Brauch ich nicht.«
Er sagte es so leise, dass Sonnenschein nachfragen musste.
»Das hier«, er deutete vage auf die Wände um sich herum, »ist nicht meine Lene. Alles so modern und kalt, das ist doch kein Zuhause. Wenn sie sich hier wohlgefühlt hat, war sie nicht mehr meine Lene.«
Sonnenschein war unbehaglich zumute. So etwas konnte der Chef besser. »Das muss nichts heißen. Sie war eine junge, moderne Frau, die mögen solche Möbel.«
»Sie hat nie mehr geschrieben. Ist umgezogen, ohne mir was zu sagen.« Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Ich will nichts von dem hier. Das können Sie verkaufen. Alles.«
»Sie besaß auch Schmuck.«
»Den auch.« Der alte Mann schien plötzlich aufzuwachen. »Es gibt doch Gerichte, die sich darum kümmern. Die sollen alles verkaufen. Was übrig bleibt, bekommt Hans. Er kann es brauchen. Wird bald Vater.«
»Ihr Sohn?«
Dornow nickte. »Bei ihm ist es gut aufgehoben.«
Vor dem Eingangsportal von Riehmers Hofgarten wollte Sonnenschein sich von dem alten Mann verabschieden, doch als er ihn so verloren dastehen sah, die abgenutzte Aktentasche in der Hand, bot er ihm an, ihn zu seiner Pension zu begleiten.
Als im Besprechungszimmer Ruhe eingekehrt war, schaute Leo in die Runde. »Meine Herren, zunächst der unangenehme Teil: Wir stehen unter enormem Zeitdruck. Herr Werneburg hat vom Polizeipräsidenten persönlich erfahren, dass man im Außenministerium die Besuche der Kriminalpolizei bei Herrn Hellwig missbilligt.«
Ernste Mienen.
»Doch es gibt auch gute Nachrichten. Der Kollege Walther und ich waren in Wittenau, nachdem sich ein Arzt von dort gemeldet und die Frau auf unseren Zeichnungen identifiziert hat. Es handelt sich um Johanna Gerber, eine der Patientinnen.«
Er fasste ihren Besuch zusammen. »Angesichts ihrer heftigen Reaktion auf das Foto können wir davon ausgehen, dass sie Viktor König gekannt hat. Damit hätten wir den Beweis erbracht, dass eine Verbindung zwischen den Mordopfern bestand.«
Er spürte, wie sich die Stimmung im Besprechungszimmer aufhellte.
»Ich möchte kein Spielverderber sein«, sagte Hasselmann, »aber wenn ich es recht verstehe, handelt es sich bei dem Bindeglied um eine junge Frau, die in einer Nervenheilanstalt lebt, kaum ansprechbar ist und bei der bisher alle Behandlungsversuche fehlgeschlagen sind.«
»In der Tat«, erwiderte Leo. »Aber ich möchte eins betonen: Es war die erste bewusste Reaktion auf einen äußeren Reiz, die Dr. Hartung bei ihr erlebt hat. Vorher hatte sie auf gar nichts reagiert, weder Ansprache noch medikamentöse oder sonstige Behandlungen. Er ist skeptisch und besorgt, hat aber eingeräumt, dass dieser Ausbruch möglicherweise eine positive Wirkung auf ihren Zustand haben könnte. Als würde man eine Mauer durchbrechen, hinter der jemand eingesperrt ist.«
Sonnenschein meldete sich zu Wort. »Ich könnte noch einmal zu Gerson und in den Frisiersalon gehen und fragen, ob ihnen der Name der Patientin etwas sagt.«
»Tun Sie das. Dr. Hartung hat uns freundlicherweise ein Foto überlassen. Er lässt alle Patienten für die Kartei fotografieren. Es gibt gelegentlich Fluchtversuche, das hilft bei der Suche. Damit werde ich noch einmal ins Regina-Atelier fahren.«
»Wir sollten das Foto vorsichtshalber auch Frau König und Herrn Hahn
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