Mord in Babelsberg
hatte. »Na schön. Möglicherweise werden Sie in den nächsten Tagen ins Präsidium bestellt, um Ihre Aussage zu Protokoll zu geben.« Er notierte sich die Namen und Adressen der Männer, bevor er sie wieder ihren Karten überließ. Im Hinausgehen meinte er, ihre Blicke im Rücken zu spüren.
Leo ging in die Werkstatt, in der er beim letzten Mal Ernst Köhler angetroffen hatte, und fand den Mann fluchend vor einer Werkbank, neben sich die unvermeidliche Bierflasche. Als er Leo hörte, drehte er sich abrupt um und stieß die Flasche um, was zu einem noch obszöneren Ausbruch führte.
»Sie schon wieder? Hier is nix zu holen.« Er bückte sich und hob die Flasche auf, setzte sie an und trank den schäumenden Rest aus, bevor er einen bedauernden Blick auf die Pfütze warf, die sich unter der Werkbank gebildet hatte.
Leo zog das Foto aus der Tasche. »Da bin ich mir nicht so sicher. Ich finde Ihr Atelier ausgesprochen faszinierend.«
»Quatsch, Sie wollen nur schnüffeln. Ich hab Ihnen alles gesagt, was ich über König wusste.«
»Darum bin ich auch nicht hier.« Er trat neben Köhler und hielt ihm das Foto unter die Nase. »Und?«
»Wie, und? Wer soll das sein? Nettes Ding, bisschen blass. Die müsste man ganz schön anmalen, damit sie sich auf der Leinwand gut macht.«
Er wirkte ungerührt, doch Leo gab nicht so leicht auf.
»Sie kennen sie nicht?«
»Sollte ich? Die ist nicht vom Film, so wie die aussieht.«
»Sie heißt Johanna Gerber. Sagt Ihnen das etwas?«
»Nee. War’s das?«
Leo ging langsam auf und ab und fächelte sich dabei mit dem Foto Luft zu. »Nicht ganz. Beschäftigen Sie eigentlich eine Schneiderin?«
»Für die Kostüme? Lohnt nicht. Die werden mitgebracht. Oder wir holen eine Lohnschneiderin, die stundenweise arbeitet.«
»Hm. Erhalten Sie schon mal Bewerbungen von Frauen, die hier arbeiten möchten?«
»Was soll das?«, fragte Köhler unwirsch, holte sich eine neue Flasche und ließ den Verschluss knallen. »Sie kommen her und halten mich mit Ihren dummen Fragen von der Arbeit ab.«
Leo vertrat ihm den Weg. »Sie wissen, dass ich in zwei Mordfällen ermittle. Diese Frau ist eine wichtige Zeugin. Sie ist Schneiderin und träumte davon, beim Film zu arbeiten. Viktor König war mindestens einmal in diesem Atelier und hat Mitarbeiter gesucht. Irgendwo gibt es eine Verbindung.«
Dann wandte er sich abrupt ab, trat an das Regal und zog die Karte der Pfaueninsel heraus, die ihm beim letzten Besuch aufgefallen war.
»Wozu brauchen Sie die?«
»Keine Ahnung, die liegt schon ewig hier. Muss von meinem Vorgänger sein.«
»Viktor König hat dort gedreht.«
»Klar, aber nicht für mein Atelier, das müssten Sie langsam kapiert haben. Meinen Sie, ich würde hier im Dreck sitzen, wenn Leute wie er bei mir drehen?«
Er breitete in einer unerwartet dramatischen Geste die Arme aus.
Doch Leo hatte genug. »Ich habe mich vorhin mit Ihren Mitarbeitern unterhalten. Das war aufschlussreich.«
Der Mann fuhr herum und wollte sich mit der Flasche in der Hand auf ihn stürzen, doch Leo war schneller. Er packte sein Handgelenk und drehte es, bis Köhlers Griff nachgab. Die Flasche zerbrach auf dem Boden.
»Sagen Sie mir, was hier abends vorgeht. Und was Viktor König damit zu tun hatte.«
»Den Teufel werd ich«, stieß Köhler hervor. »Sie tun doch nur so, als ob Sie was wüssten. Es ist nicht verboten, abends zu drehen. Wenn wir wollen, können wir sogar nachts arbeiten.«
»Mit Peitschen? Und Ledergeschirren?«
Köhler riss sich los und wischte sich den Arm ab, als hätte Leo ihn beschmutzt. »Schon mal von einem Reitstall gehört?«
»Warum wollte ein berühmter Mann wie König abends in Ihrer Kaschemme drehen?«, fragte Leo mit drohendem Unterton. »Sie bewegen sich auf dünnem Eis.«
»Und Sie brauchen Beweise, Herr Kommissar.«
Leo ging zur Tür. »Ich komme wieder.«
21
Die Schneiderei befand sich im ersten Hof des Mietshauses in der Stettiner Straße. Ein ordentlich poliertes Emailleschild mit einem Pfeil und der Aufschrift »Schneiderei Hunold« wies Kunden den Weg. Ein kleines Mädchen fuhr auf einem quietschenden Roller mit schiefem Lenker an Kriminalassistent Friedrichs vorbei und sah ihn neugierig an. Es war einer der üblichen Hinterhöfe der Gegend – kleine Betriebe, Wäscheleinen, spielende Kinder. Nicht das bedrückende Elend, das man in vielen Mietskasernen sah, aber ein Mann in einem anständigen Anzug fiel trotzdem auf.
Er hörte das Rattern der Nähmaschine und
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