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Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Leben gerettet. Auch wenn Stoker seiner eigenen Bekundung nach nichts von Instinkten hielt, war er ein äußerst genauer Beobachter, dem nicht die geringste Einzelheit entging. Er hörte sofort, wenn jemand log, erkannte die Nervosität hinter einem auf den ersten Blick ungezwungenen Lächeln, den winzigen Hinweis auf Eitelkeit an einer auffälligen Uhrkette oder dem um eine Spur zu farbenfreudigen seidenen Taschentuch, die gespielte Beiläufigkeit, wenn sich zwei Menschen begegneten, die eine tiefere Bekanntschaft oder Vertrautheit verband, als sie preisgeben wollten.
    »Was für Fragen?«, beharrte Pitt.
    Stoker runzelte die Stirn. »In Dover hat sich jemand nach Eisenbahnsignalen und Weichen erkundigt …«
    »Weichen?«, fragte Pitt verblüfft zurück. »Sie meinen, da, wo Gleise zusammenlaufen oder auseinandergehen? Was wollen die Leute darüber wissen? Sind Sie sicher, dass es dabei nicht einfach um Wartungsarbeiten geht?«
    Mit finsterer Miene gab Stoker zurück: »Unbekannte haben sich erkundigt, wie Weichen funktionieren und von wo aus sie gesteuert werden. Ob das von Hand geht und solche Sachen. Zuerst hab ich angenommen, jemand wollte das wissen, um es seinem Sohn zu erklären, aber dann sind auch Fragen nach Fahrplänen, Güter- und Personenzügen von Dover nach London gekommen, außerdem nach Nebenstrecken. Man könnte glauben, jemand wollte feststellen, wo die einzelnen Strecken aufeinanderstoßen.«
    Pitt dachte kurz nach. Einige der Möglichkeiten, die sich da abzeichneten, bereiteten ihm Unbehagen. »Hat immer der selbe Mann gefragt?«
    »Das lässt sich nicht genau sagen. So wie man ihn mir beschrieben hat, hat er durchschnittlich ausgesehen. Auffällig waren nur seine blassen, wässrigen Augen. Der Mann, der sich nach den Güterzügen erkundigt hat, hatte eine Brille auf, da konnte man die Augen nicht so gut sehen.«
    »Und was ist mit dem, der etwas über Signale und Weichen wissen wollte?«, fuhr Pitt fort, während sich in ihm ein gewisses Unbehagen ausbreitete.
    »Andere Haarfarbe, soweit sich das unter seiner Kopfbedeckung erkennen ließ. Hat aber nichts zu bedeuten – jeder kann sich ’ne Perücke aufsetzen.«
    »Was wird auf den Linien von und nach Dover transportiert, um die es geht?«, fasste Pitt nach.
    »Danach hab ich mich erkundigt. In erster Linie schwere Industriegüter. Auch Kohle und Fisch. Nichts, was sich zu stehlen lohnt, jedenfalls nicht bei einem Eisenbahnunglück.«
    Pitt überlegte. »Fahren auf der Strecke auch Personenzüge?«
    »Von Dover nach London, ja. Meinen Sie, die Leute könnten es auf einen bestimmten Fahrgast abgesehen haben?«
    »Das wäre sehr viel Mühe für eine einzige Person«, gab Pitt zurück. »Anarchisten versuchen eher, möglichst viel Unheil anzurichten, um zu zeigen, wozu sie imstande sind.«
    »Aber was dann?«, fragte Stoker mit gerunzelter Stirn. »Das ist keiner, den wir schon kennen. Sieht mir auch nicht danach aus, als ob irgendwelche idealistischen oder politischen Motive dahintersteckten.«
    »Genau das macht mir Sorgen«, erklärte Pitt. »Es ergibt keinen Sinn. Wir haben noch nicht verstanden, was dahintersteckt. Aber Sie haben recht, da ist etwas im Busch, und wenn es nur ein Ablenkungsmanöver wäre, mit dem die Leute verhindern wollen, dass wir durchschauen, welches ihre wahren Absichten sind. Auf keinen Fall dürfen wir die Sache außer Acht lassen. Wenn Leute bereit sind, einen Zugzusammenstoß herbeizuführen, um einen einzigen Menschen zu töten, muss es sich um jemanden handeln, der ihnen unendlich wichtig ist.«
    Er holte tief Luft. Trotz des wärmenden Kaminfeuers und obwohl die Fenster nach wie vor fest geschlossen waren, schien es im Zimmer mit einem Mal kälter zu sein als zuvor. Die Folgerung, die sich aus Stokers Worten aufdrängte, war sonnenklar.
    »Wer?«, fragte Pitt.
    »Wenn ich das wüsste.« Stoker deutete mit seinen sehnigen Händen eine leichte Geste der Hilflosigkeit an. »Auch über den vorgesehenen Zeitpunkt ist mir nichts bekannt, doch nehme ich an, dass es bald sein soll. Niemand erkundigt sich Monate im Voraus nach Fahrplänen, weil sich in der Zwischenzeit viel zu viel ändern könnte.«
    »Wer kommt in den nächsten ein, zwei Monaten von Dover nach London? Wen könnten Anarchisten im Visier haben?«
    »Soweit ich weiß, niemand von Bedeutung.« Stoker schüttelte den Kopf. »Irgendein russischer Graf hat sich Zimmer im Savoy reservieren lassen. Vielleicht will er bei der Gelegenheit Mitglieder unseres

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