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Mord in Thingvellir

Mord in Thingvellir

Titel: Mord in Thingvellir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Blómkvist
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unangenehm.
    Magnea steht langsam auf. Sie hatte darum gebeten, bei der Sarglegung dabei sein zu dürfen. Mit ihrer Tochter.
    Einen Moment bleibt sie an dem weißen Sarg stehen. Beugt sich zu dem Toten herab und küsst die kalten Lippen.
    Elín Edda schiebt ihre feuchtkalten Finger in meine Hand.
    Sie ist kreideweiß. Ihre großen, tiefen Augen starren die Leiche an, von der ihre Mutter sich verabschiedet. Angst spricht aus ihrem Blick. Furcht vor dem Tod.
    Magnea dreht sich um. Streckt einen Arm aus.
    Elín Edda geht widerstrebend zu ihrer Mutter.
    Eine ganze Weile stehen sie nebeneinander an dem offenen Sarg. Wie Ehefrau und Tochter. Die den Mann und Vater verabschieden.
    Oder Geliebte und Stieftochter?
    Wahrscheinlich. Aber ich habe keine Ahnung, wie sie zueinander standen.
    Pfarrer Finnbogi spult ein paar Bibelverse ab. Und singt ohne Orgelbegleitung ein Lied.
    Obwohl er eine klare, jugendliche Stimme hat, ziehen die Worte wie der Wind oder andere alltägliche Geräusche an mir vorbei, ohne dass ich sie bewusst wahrnehme.
    Ich kann mich auch taub stellen, wenn ich will. Wie Gott.
    Nach der Andacht lasse ich mich im Büro des Hotels nieder, das sich in einem kleinen Zimmer neben dem Foyer befindet.
    Vom Fenster aus sieht man das alte Wohnhaus, den Schafstall und die Scheune am anderen Ende der Heuwiese. In der Nähe der Landstraße. Oberhalb des Geräteschuppens, der gebaut worden ist, nachdem ich von zu Hause weggegangen war.
    Ich telefoniere durch die Weltgeschichte. Ich erfahre, dass das Bezirksgericht meinem Antrag auf Aushändigung der Unterlagen über die Ermittlungen im Fall Soleen stattgegeben hat. Aber auch, dass der Bezirkie umgehend beim Obersten Gericht Einspruch gegen das Urteil eingelegt hat.
    Múhammed Grebase ist aufgebracht, als ich ihn anrufe. Dieses Mal wegen seines Neffen.
    »Mein Vater und mein Bruder sind wütend auf mich«, sagt er.
    »Warum?«
    »Die Polizei war da und hat Bawar bei seinen Eltern in Kurdistan abgeholt, als wäre er ein Verbrecher. Ich schäme mich dafür.«
    »Und was haben sie ihn gefragt?«
    »Genau das Gleiche wie bei meinem Verhör.«
    »Nichts Neues?«
    Múhammed zögert am Telefon.
    »Was haben sie gefragt?«, dränge ich.
    »Sie haben Bawar gefragt, ob er Soleen hätte heiraten sollen.«
    »War das geplant?«
    »Alles war schon beschlossen.«
    »Wann?«
    »Ich habe mit meinem Bruder schon vor Jahren vereinbart, dass Bawar Soleen bekommen sollte.«
    »Nur ihr beide?«
    »Es gehört zu meiner Aufgabe, den besten Mann für meine Tochter zu finden.«
    »Hier kümmern wir Frauen uns selbst darum. Wenn wir überhaupt Interesse daran haben zu heiraten.«
    »Das ist nicht unsere Sitte.«
    »Kam der Junge hierher, um Soleen zu heiraten?«
    »Nein, wir haben abgesprochen, dass die Hochzeit nächstes fahr stattfinden soll, nicht jetzt.«
    »War Soleen damit einverstanden?«
    Múhammed zögert die Antwort heraus.
    »War sie einverstanden?«, wiederhole ich.
    »Soleen wusste schon seit langem, dass sie die Frau ihres Cousins werden sollte. Das war nichts Neues, sie wurde damit nicht überrumpelt.«
    Hmmm.
    »Wie lange war Bawar in Island?«
    »Er kam im April.«
    »Dann hat er ungefähr vier Monate in Island verbracht, nicht wahr?«
    »Ja, in etwa.«
    »Was hat er an dem Abend gemacht, als Soleen verschwand? Hat er ein Alibi?«
    »Er hat sich mit ein paar Jungs getroffen, die er hier kennen gelernt hat. Es war sein letzter Abend in Island.«
    »Hat er Soleen geschwängert?«
    Múhammed reagiert wütend auf die Frage.
    »Nein!«, ruft er.
    »Hast du ihn danach gefragt?«
    »Nein.«
    »Ich finde, du solltest das klären.«
    »Wenn ich ihn danach frage, dann zweifle ich gleichzeitig seine Ehre und auch die Ehre meines Bruders an. Das kann ich nicht machen.«
    »Verdammt noch mal, deren Ehre ist doch wohl nicht mehr wert als deine Freiheit?«
    »Die Ehre der Familie ist für mich wichtiger als alles andere im Leben, neben Gott natürlich.«
    Ach, du liebe Zeit!
    Später gehe ich die Jahresbilanzen des Sommerhotels durch.
    Die Buchhaltung zeigt, dass der Betrieb in den letzten Jahren Gewinn gemacht hat. Zwar nicht viel, aber immerhin Einnahmen. Das macht es für mich leichter, einen guten Preis für das Grundstück zu bekommen.
    Das Büro ist genauso unpersönlich wie das Schlafzimmer. Vier breite Regale nehmen den meisten Platz ein. Hier befinden sich viele Aktenordner. Die meisten sind mit Jahreszahlen beschriftet. Zwei bis drei Stück für jedes Jahr, in dem das Sommerhotel

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