Mord in Thingvellir
dass ihm der Fall aus den Händen genommen wurde. Obwohl er offiziell immer noch die Ermittlungen leitet.
Politische Amtsschimmel zeigen ihre fiese Art immer durch Banalitäten und Falschheit.
Und doch sollte ihm klar gewesen sein, dass gerade der Bericht über die Ermordung von Soleens ungeborenem Kind die Aufregung in der Bevölkerung weiter anheizt. In dem Zusammenhang ist es auch ziemlich gleichgültig, dass der Embryo nur ein paar Wochen alt war. Kind ist Kind.
Ich befrage Ásleifur auch gleich zu der geheimnisvollen Lücke im Obduktionsbericht.
Er tut so, als ob er nichts darüber weiß. Aber verspricht, der Sache nachzugehen.
Als Nächstes kontaktiere ich die Schwarzvögel in Kópavogur. Bitte sie eindringlich, engmaschigere Streifen an der Werkstatt Toppautos vorbeifahren zu lassen. Und an dem Hochhaus im Engihjalli, wo Múhammed und Fadíma wohnen. Wegen des Berichts in der DV.
Sie sagen, dass sie sich die Sache überlegen müssen und können nichts versprechen.
Ich lasse mir den aktuellen Stand der Dinge gründlich durch den Kopf gehen, bevor ich Máki anrufe.
Ich finde es wichtig, diesen Blödmännern zu zeigen, dass auch andere als Hreggvidur der Presse etwas stecken können. Spiele ihm daher im Schutz der Anonymität zwei Informationen zu:
Einerseits, dass die großartig bekannt gemachte Suche nach Indizien auf dem Gelände der Werkstatt und im Jeep keinen Erfolg hatte. Es sei nichts gefunden worden, was man auf die eine oder andere Weise mit dem Mord an Soleen in Verbindung bringen könnte.
Andererseits, dass die Ermittlungen faktisch in den Händen der Goldjungs bei der Staatspolizei liegen und von Ásleifur Oddgeirsson geleitet werden, obwohl der Bezirkie von Selfoss theoretisch immer noch den Mordfall auf seinem Schreibtisch hat.
»Das musste ja so kommen«, kommentiert Máki. »Ich rufe ihn an.«
Schließlich mache ich Gunnhildur ausfindig. Verabrede mich mit ihr in einem Café im Einkaufszentrum von Kópavogur. Das neue Einkaufszentrum heißt Smáralind und sieht von oben wie ein überdimensionaler Phallus aus. Das höchste Niveau grobschlächtigen Machotums.
Gunnhildur sieht verdammt gut aus. Sie ist groß. Und so schlank wie ein unterernährtes Model. Mit langem, rotbraunem Haar, das offen über ihre Schultern fällt.
Sie hat auffallend viel Make-up im Gesicht, das den Braunton ihrer großen Augen unterstreicht.
Ihre vollen Lippen sind leicht violett und glänzend. Wie der Knopf, der sich auf der Zunge breitmacht.
Ich muss ständig auf ihr Zungenpiercing starren. Jedes Mal, wenn sie den Mund aufmacht.
»Tut das nicht weh?«, frage ich schließlich.
»Nur am Anfang«, antwortet sie und lacht. »Die Jungs finden das klasse.«
»Und die Mädchen?«
»Hab ich noch nicht ausprobiert.«
»Warum nicht?«
»Ich bin nicht dagegen oder so«, sagt sie entschuldigend. »Aber es hat sich einfach noch nicht ergeben.«
»Wie fand denn Soleen dein Zungenpiercing?«
»Sie fand es unglaublich witzig und lachte sich halb tot als sie mich zum ersten Mal damit sah.«
»Wie gut hast du sie gekannt?«
»Wir haben uns durch Zufall letzten Herbst kennen gelernt und sind ab und zu zusammen ins Café gegangen oder auf Partys und so.«
»Was hattet ihr gemeinsam?«
»Soleen wollte so gerne das Gleiche studieren wie ich.«
»Und welches Fach?«
»Ich studiere im zweiten Jahr BWL an der privaten Universität von Reykjavík und habe mir zum Ziel gesetzt, wahnsinnig reich zu werden, bevor ich meinen dreißigsten Geburtstag feiere«, antwortet Gunnhildur lachend.
»Hat es dich überrascht zu hören, dass Soleen schwanger war?«
»Als ich den Artikel in der Zeitung sah, fiel mir ein, dass sie mich einmal gefragt hat, wie es möglich ist herauszufinden, ob man in anderen Umständen ist. Sie sagte, dass sie für eine Freundin fragen würde, deswegen schöpfte ich auch keinen Verdacht.«
»Und was hast du geantwortet?«
»Ich habe ihr gesagt, dass jeder einen Schwangerschaftstest in der Apotheke kaufen kann.«
»Hat sie das gemacht?«
»Ich weiß es nicht, sie hat die Sache mir gegenüber nie wieder erwähnt.«
»Wann habt ihr darüber gesprochen?«
»Es war ein paar Tage vor ihrem Tod, wahrscheinlich am Montag oder Dienstag in jener Woche. Hat sie nichts darüber in ihr Buch geschrieben?«
»Was für ein Buch?«
»Soleen hatte immer ein kleines rotes Buch dabei und schrieb manchmal etwas hinein.«
»Meinst du eine Art Notizbuch oder Tagebuch?«
»Ja, ich denke schon, aber sie hat uns nie
Weitere Kostenlose Bücher