Mord inclusive
abrupt von Alan und drehte mich weg, damit er sie nicht sah. Mit dem Saum meines Shirts wischte ich mir die Augen. Er zog mich wieder sanft an sich und drückte meinen Kopf an seine Brust. Er roch so gut. Jetzt konnte ich nicht mehr an mich halten und heulte laut los.
Endlich tauchten ägyptische Beamte auf. Alan übernahm die Regie. Er zeigte den Polizisten zuerst meinen Arm und wies dann auf meine in fünf Meter Tiefe verstreuten Habseligkeiten. Er gab Erklärungen zunächst in Englisch und dann in gebrochenem Arabisch. Nach einer Weile redeten er und die drei Ägypter, wild gestikulierend, alle durcheinander.
Kyla wollte mich wegziehen. »Lass das Alan machen«, sagte sie. »Du brauchst ein Pflaster, ein großes.«
Alan schaute sich nach uns um. »Warten Sie einen Augenblick, ich komme gleich mit.«
»Dann gehen wir zumindest zur Treppe und setzen uns auf die Stufen«, drängte Kyla.
Ich wusste, sie hatte recht, aber ich blieb stur. »Ich habe die Grabkammer noch nicht gesehen.«
Sie starrte mich fassungslos an. »Jetzt machst du dich aber lustig über mich.«
»Überhaupt nicht«, sagte ich. »Wenn wir hier rausgehen, lassen die uns nicht wieder rein. Los, wir laufen schnell dort runter, solange es niemand sieht.«
Gesagt, getan. Keiner der Männer beachtete uns. Wir waren doch schon so nahe dran. »Du bist ja verrückt«, zischte Kyla lautlos, bevor sie mir über die Brücke folgte.
Wir eilten durch zwei weitere Kammern, nahmen noch eine Treppe und standen schließlich in der Grabkammer, die eine gewölbte Decke hatte, nachtblau gestrichen und mit Hunderten Figuren in Weiß geschmückt war. Ein Minizoo aus Nilpferden, Löwen, Krokodilen und Stieren, dazwischen Menschen. Alle waren im Profil dargestellt, manche trugen Tierköpfe. Über dem Ganzen war ein rätselhaftes Gitter eingraviert, geschmückt mit Sternen und Symbolen von unergründlicher Bedeutung. So etwas Schönes hatte ich noch nie gesehen.
Ebenso märchenhaft bemalt waren die Wände, die von unten bis oben in verschiedenen Tönen von Rot, Gold, Braun und Blau leuchteten. Eine schöne Frau fuhr auf einem Boot mit zwei Bäumen und zwei Dienerinnen. An der Decke breitete die Göttin Isis ihre großen Flügel schützend über alles aus. Die starken Farben blühten wie Juwelen auf dunklem Samt. Ich konnte das alles gar nicht aufnehmen. Selbst in einem Monat wäre es unmöglich gewesen, alles zu sehen und zu würdigen, um wie viel weniger in diesen kurzen heimlichen Augenblicken.
»Schön«, sagte Kyla schließlich. »In Ordnung. Du hattest recht. Es war das Warten wert. Und sehr schlau von dir, alle anderen Touristen loszuwerden, sodass wir eine ganz eigene, private Besichtigung hatten.«
Ich musste lächeln. Mein Arm tat nach wie vor weh, blutete aber fast nicht mehr. Ich kümmerte mich kaum noch darum. Sie hatte recht. Es war die Sache wert gewesen. Gemeinsam traten wir noch in eine der kleinen Seitenkammern, wo eine Wand mit dem Bild einer riesigen Kuh, umringt von winzigen Menschenfiguren, geschmückt war.
»Das Buch der Himmlischen Kuh«, verkündete ich.
»Du machst Witze, stimmt’s? Eine heilige Kuh?«
Wir mussten beide lachen, und ich wischte mir die Wangen ab, damit die letzten Tränenreste verschwanden. Von oben drangen Laute zu uns herab, es klopfte und klirrte, Stimmen murmelten, wurden stärker, schienen Befehle zu rufen. Die Luft war immer noch stickig und feucht, obwohl keine Menschen hier waren. Da mein erster Schock verflogen war, arbeiteten meine Gedanken wieder, und sie gefielen mir gar nicht.
»Weißt du«, sagte ich langsam, »wer auch immer versucht hat, mir die Tasche zu entreißen, muss in der Schlange in unserer Nähe gestanden haben.«
»Hm. Du meinst, es war einer der Touristen? Oder vielleicht ein als Reisender verkleideter Dieb?«
»Kann sein. Vielleicht. Aber wenn es nun einer von uns war? Vielleicht Alan?« Meine Stimme klang brüchig, als ich es sagte. Das durfte einfach nicht wahr sein.
Kyla blickte mich erschrocken an. »Aber er hat dir geholfen. Er hat dich nach oben gezogen. Und du hast selbst gesagt, dass die Person nicht groß gewesen ist.«
»Ja, ich weiß. Ich hatte diesen Eindruck. Aber es war doch dunkel. Ich kann also nicht sicher sein. Und, Kyla, wer sonst könnte es gewesen sein? Er muss unweit von uns gestanden haben. Ein gewöhnlicher Dieb kann sich nicht auf dieser Brücke versteckt haben. Derjenige hat mich ausgesucht. Von allen Menschen auf dieser Brücke hat er mich
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