Mord inclusive
interessierten mich am meisten von allem, was wir bisher gesehen hatten.
Mein Kopfschmerz, den ich während des Gesprächs mit Alan fast vergessen hatte, meldete sich wieder und pochte dumpf hinter meiner Stirn. Vor dem Aufbruch hatte ich ein paar Aspirin geschluckt, aber sie wirkten noch nicht. Ich war entschlossen, mich von dem Schmerz nicht bremsen oder abstumpfen zu lassen. Aus einem unerfindlichen Grund glaubte ich, heute dürfe ich auf keinen Fall etwas verpassen. Aber ich hatte keine Ahnung, worauf ich achten sollte. So verlegte ich mich darauf, alles und jeden heimlich zu beobachten. Dabei rempelte ich mehrmals Kyla an, bis sie mich in den Arm kniff.
»Was ist denn los mit dir? Pass auf, wo du hinläufst.«
Mohamed wartete am Bus neben Anni, die uns beim Einsteigen durchzählte. Als wir an ihm vorübergingen, zuckte ich leicht zusammen. Ihm stand ein wenig Schweiß auf der Stirn, und seine Schultern waren steif vor Anspannung. Vielleicht war ihm auch nur heiß in seinem dicken Jackett, und er betete, dass diese aus der Kontrolle geratene Reise endlich zu Ende gehen möge, bevor noch etwas passierte.
Ich versuchte meine Phantasie ein wenig zu zügeln. Zwar war ich im Grunde überzeugt, dass er etwas im Schilde führte, aber hatte er wirklich zwei Menschen umgebracht und mich zweimal angefallen? Hier in unserem klimatisierten Luxusbus kam mir das alles so unwirklich vor. Daher konzentrierte ich mich auf unsere Reisegefährten. Einer von ihnen war ein Schmuggler und vielleicht auch ein Mörder.
Die Petersons mit ihren zwei halbwüchsigen Söhnen saßen bereits in der Mitte der Reihe. Ich überlegte kurz und strich sie von meiner Liste. Sie waren aufgeregt, glücklich und so normal. Außerdem mochte ich die beiden Burschen, und ihre Eltern hatten alle Hände voll zu tun, sie im Zaum zu halten. Für Schmuggel blieb denen keine Zeit.
Als Nächste stiegen Dawn und Keith Kim ein. Während Keith hinter seiner Frau den Gang entlangging, war er mit seiner Digitalkamera beschäftigt. Er bemühte sich, ein großes Objektiv anzubringen. Sie warf ihm über die Schulter einen halb ärgerlichen, halb belustigten Blick zu. Ich räumte ihnen nicht die besten Chancen für eine dauerhafte Ehe ein, aber sie schienen mir ganz gewöhnliche Touristen zu sein, die ihre Reise genießen wollten.
Ihnen folgten Jerry und Kathy Morrison. Kathy kam mir vor wie ein Schakal, der gerade einer Meerkatze den Kopf abbeißen will, und Jerry blickte sauer drein. Vielleicht war er die Meerkatze. Sie hinkte immer noch ein wenig von ihrem Sturz in Abu Simbel, aber mir fiel auf, dass sie jetzt einen elastischen Verband und ein Paar leichte Stoffschuhe mit Strohsohle trug. Sie setzten sich direkt hinter Anni, nutzten also ihre Verletzung, um den besten Platz zu beanspruchen, obwohl sie gar nicht an der Reihe waren. Niemand hätte sich darüber aufgeregt oder auch nur darüber nachgedacht, hätte sich nicht Jerry so demonstrativ darauf niedergelassen, als wollte er jeden warnen, etwas dagegen vorzubringen.
Dann folgten die Carpenters, erst Lydia, nach ihr Jane und dann Ben. Sie steuerten sofort auf die hinterste Bank zu, auf der sie alle drei nebeneinandersitzen konnten. Jane wirkte verkrampft und, ja ... verängstigt. Merkwürdig war auch, wie Lydia und Ben sich ständig an ihrer Seite hielten, als seien sie ihre Leibwächter. Stützten sie sie nur, oder wollten sie sie beschützen? Aber wovor? Wenn sie wirklich nur ihre Nichte aus Australien war, dann ergab dieses Verhalten keinen rechten Sinn. Wenn sie sich nur für ihre Nichte ausgab und in Wirklichkeit auf der Flucht vor den ägyptischen Behörden war, dann passte das schon eher, erklärte aber nicht, wer sie tatsächlich war und warum die beiden ihr halfen. Da Ben und Lydia ansonsten so nett waren und völlig normal wirkten, konnte man erst recht nicht glauben, dass sie irgendetwas Strafbares machten.
Jetzt bestiegen DJ und Nimmi den Bus. DJ redete begeistert von den Wundern, die Nimmi in Karnak erwarteten. Die zeigte echte Begeisterung. Bisher hatte ich sie nie anders auf ihren Riesenkerl von Mann reagieren sehen als mit belustigter Zuneigung. Ihr versuchter Ladendiebstahl im Souvenirshop fiel mir ein, dazu sein ständiges Feilschen und seine Kauforgien. Hatte Kyla recht? War das mehr als reiner Spaß an der Sache? Wie leicht mochte es sein, eine echte Antiquität in einem Koffer voller Souvenirkram zu verstecken? Dass sie nett und großzügig waren, musste ein wenig Schmuggel nicht
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