Mord mit Schnucke: Heidekrimi (German Edition)
abgesetzt und dann den Mord beobachtet haben.«
»Beziehungsweise den Hansen erschossen haben.«
»Stopp, Westermann. Im Moment suchen wir den Augenzeugen, nicht den Mörder. Mal abgesehen davon, dass der junge Graf Florian immer noch unser Hauptverdächtiger ist.«
Während der Kollege gesprochen hatte, war sie in Gedanken selbst wieder ein Stückchen weitergekommen. Fast, ja, fast hatte sie die Lösung.
Ihr Nacken schmerzte. Wie früher, wenn sie im Kino nur noch Platz in der ersten Reihe gefunden hatte. Dennoch hielt sie den Augenkontakt und trat auch keinen Schritt zurück.
Die Spannung war beinahe mit Händen greifbar. Hanna spürte, dass sie kurz vor einem entscheidenden Durch bruch standen.
»Ja, also, einen Jäger hatte ich eigentlich ausgeschlossen, und ich habe geputzt und geputzt. Dann musste ich an die Frauen aus Hasellöhne denken. Einige von denen haben ihre Männer ja zur Jagd gefahren und sind dann wieder heim. Vielleicht nicht sofort? Vielleicht war eine noch Pilze suchen.«
»Westermann«, brummte Hanna. »Es war eine Männerstimme.«
»Genau. Deswegen habe ich die Frauen auch gleich wieder ausgeschlossen. Also habe ich weiter geputzt und geputzt. Ich glaube, Alfred ist die Hälfte seines Fells losgeworden. Na, dann hatte ich eine Erleuchtung.«
Hanna schwieg und starrte nach oben.
»Harry Vierßen!«
Verdammt, dachte sie.
»Ich habe angefangen, Alfreds verfilzte Mähne zu entwirren und dabei über den Schäfer nachgedacht. Harry muss mit seiner Herde ganz in der Nähe des Tatortes gewesen sein, sonst wäre ja sein Bock nicht aus Versehen erschossen worden.«
Verdammt, dachte Hanna wieder. Das ging jetzt in eine ganz andere Richtung, als sie gehofft hatte.
»Also habe ich gegrübelt und gegrübelt. Nachdem Alfreds halbe Mähne weg war, habe ich mir den Schweif vorgenommen. Der sah noch schlimmer aus. Sorry, Chefin, aber einen Teil musste ich abschneiden. Ging nicht anders. Harry, ja, Harry.«
Er stieß einen kleinen Rülpser aus. Der Geruch nach Brunnenwasser verstärkte sich. Ein bisschen was musste er vorhin geschluckt haben.
Hanna wartete. Sie war enttäuscht, wollte sich aber nichts anmerken lassen. Möglicherweise hatte sie seine Fähigkeiten doch überschätzt.
Plötzlich grinste Westermann. »Ich war mit dem Schweif schon fast durch. Jetzt fehlten nur noch die Hufe. Auskratzen, entscheiden, ob der Schmied kommen muss, einfetten. Danach wäre ich fertig gewesen, blöderweise ohne endgültiges Ergebnis. Na ja, zur Not hätte ich Alfred mit Dreck bewerfen und von vorn beginnen können.«
»Westermann, dich bring ich um!«
Hanna erschrak. Das hatte sie bisher nur für sich gedacht oder gemurmelt, niemals laut gesagt, schon gar nicht ihm ins Gesicht geschrien.
Der Kollege nahm’s locker. »Warte noch ’n büschen damit. Vielleicht brauchst du mich ja noch. Tja, also Harry. Der kann’s nicht gewesen sein. Wäre jedenfalls höchst unwahrscheinlich.«
»Wieso?«, fragte sie mit neu aufkeimender Hoffnung.
»Harry wohnt gar nicht hier, sondern in Undeloh.«
»In Undeloh?«
»Genau. Und weißt du, was das bedeutet, Chefin?«
»Er hat von dir keine SMS mit meiner Handynummer und auch keinen Handzettel bekommen.«
»Mann! Da bist du jetzt aber schnell drauf gekommen! Ich habe Alfreds ganzen Schweif lang dafür gebraucht. Na, ich weiß schon, warum du Oberkommissarin bist und ich bloß Polizeikommissar.«
Hanna lächelte geschmeichelt. »Und weiter?«
»Dann ist mir jemand eingefallen. Wenn ich ehrlich sein soll, hat mir Alfred dabei geholfen.«
Mir auch, dachte sie. Erst vor einer halben Stunde. Es war das letzte Mosaiksteinchen, das ich noch brauchte.
Westermann holte tief Luft. »Unser alter Kutscher Heinz-Otto.«
»Bingo!«, rief Hanna.
»Was? Du wusstest das schon?« Er zog die Mundwinkel tief nach unten. »Und ich dachte, ich kann mal richtig was zum Fall beitragen.«
Begütigend legte sie ihm eine Hand auf den Arm. »Das tust du, Westermann. Und wie! Ich bin mir bis vorhin überhaupt nicht sicher gewesen. Es gab nur einige Hinweise, die sich nach und nach zu einem Bild zusammengefügt haben. Wenn du jetzt zu demselben Schluss gekommen bist, dann sind wir auf der richtigen Spur.«
Westermann schien nicht besänftigt. »Mir ist einfach eingefallen, dass Heinz-Otto wenigstens einen oder auch mehrere Hamburger Jagdgäste zum Wald kutschiert hat. Und bei der Gelegenheit hat er vielleicht geguckt, ob er ein paar Pilze findet. Ist nämlich seine Leidenschaft, das
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