Mord nach Drehbuch
Pasteten! Im Grunde können Sie nicht mal ein Ei braten!«
Ryker schaute sich um. Die anderen Kunden auch. Die hielten Honey wahrscheinlich für ein bisschen plemplem. Aber das war ihr egal. Das war ihr der Ausdruck auf Rykers Gesicht wert.
Honey schluckte trocken. Überraschung wäre schon ein tolles Ergebnis gewesen, doch das hier war viel mehr. Rykers Augen blitzten wütend und hart unter seinen Brauen hervor, sein Gesicht lief rot an und verzerrte sich. Er fletschte diefeucht schimmernden Lippen, sodass das Zahnfleisch bloß lag. Man konnte regelrecht zusehen, wie sich Dr. Jekyll in Mr. Hyde verwandelte. Ryker hätte jedem Horrorfilm Ehre gemacht.
»Was haben Sie da gesagt?« Seine Unterlippe bebte.
Honey fühlte sich an eine Begegnung mit einer Bulldogge erinnert, die sich ähnlich verhalten hatte. Es war eine unglückselige Begegnung gewesen. Honey hatte auf einer Parkbank gesessen und ein Schinkensandwich gegessen. Und besagte Bulldogge hatte großen Hunger gehabt. Sie hatte genauso die Unterlippe gefletscht, ehe sie sich das Sandwich schnappte. Allerdings hatte es Ryker nicht auf ein Sandwich abgesehen, wenn er auch sonst dem Hund ziemlich ähnlich sah.
Vielleicht würde es sich als selbstmörderischer Impuls herausstellen, aber Honey würgte noch ein paar kulinarische Beschimpfungen hervor.
»Ihre Risottos sind pappig, und Ihre Butterkekse schmecken etwa so köstlich wie Hühneraugenpflaster!«
Plötzlich vernahm sie ein leises Grollen. Sie wusste, dass es von Ryker kommen musste. Seine Schultern waren nach vorne gesackt, der Körper völlig versteift. Es klang wie das Grollen kurz vor einem Vulkanausbruch. Honeys gesunder Menschenverstand flüsterte ihr ein, dass sie jetzt besser Fersengeld geben sollte. Die anderen Kunden, denen bewusst geworden war, dass sich hier ein Unheil anbahnte, überlegten sich, ob sie wirklich bleiben und das matt gebürstete Teigrädchen oder den schönen Korkenzieher aus Edelstahl mit Schildpatt kaufen sollten. Eigentlich brauchten sie so was gar nicht. Vielen Dank und auf Wiedersehen.
Mit pochendem Herzen hielt Honey die Stellung. Instinktiv wusste sie, dass Smudger hinter ihr stand, wenn sie auch nicht sagen konnte, wo.
Hätte sie sich umdrehen können, so hätte sie gesehen, dass er sich hinter einer Schaufensterpuppe versteckte. Die stand auf einem etwa dreißig Zentimeter hohen Podest und trug eine vollständige weiße Kochmontur. Außerdem hielt siein der einen Hand ein Nudelholz und in der anderen einen riesigen Schneebesen.
»Das hätten Sie nicht sagen sollen!«, brummte Ryker. Jedes Wort unterstrich er mit einem Kopfschütteln. »Nehmen Sie das sofort zurück!«
Den Teufel würde sie!
Stattdessen schaltete sie auf Turbo um.
»Ihr Essen ist Mist. Martyna fand auch, dass es Mist ist. Und sie hat es Ihnen gesagt, stimmt’s? Sie hat Ihnen gesagt, dass man nicht mal Schweinen solchen Höllenfraß vorsetzt. Und das konnten Sie sich doch nicht gefallen lassen, oder? Also haben Sie sie umgebracht. Mit einer Hutnadel erstochen, nur weil sie was an Ihrem Essen auszusetzen hatte!«
»Die hatte null Geschmack!«, schrie Ryker. »Und sie war eine fiese Zicke. Eine dämliche, gemeine Kuh! Die hatte es nicht verdient …«
»Weiterzuleben?«
Honey wusste, dass sie das richtige Wort ergänzt hatte. Martyna Manderley hatte es nicht verdient weiterzuleben, weil sie Rykers Kochkünste in den Dreck gezogen hatte.
Ein Angestellter schrie, man solle sofort die Polizei rufen. Ein anderer Verkäufer, der die Situation nicht ganz richtig begriffen hatte, forderte sie beherzt auf, bitte das Geschäft zu verlassen, wenn sie nicht die Absicht hätten, etwas zu kaufen.
Ryker schien nichts davon zu hören.
»Der hatte ich eine ganz besondere Pastete gebacken. Stubenküken und Orange. Fragt die mich doch, ob ich sie für einen Bauerntrampel hielte! Ausgelacht hat sie mich! Hat mir ins Gesicht gelacht und gesagt, mein Essen wäre Scheiße.« Seine Augen wurden glasig, während er Honey bedrohlich näher kam.
Honey schluckte. Auf einmal war ihr ganz kalt geworden. Das Blut schien ihr in den Adern zu gefrieren. Angst, da war einem kalt und heiß zugleich – einfach schrecklich!
Rykers Gesicht war verzerrt und grausig, ein Gesicht, wie man es aus Dutzenden von Albträumen kennt. Schreck allerSchrecken, genau dieses Gesicht hatte Martyna Manderley kurz vor ihrem Tod erblickt. Diese ungezügelte, schäumende Wut! Und alles nur, weil sie seine Kochkünste kritisiert hatte!
Honey
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