Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
Miranda«, sagte sie und führte ihm, statt etwas über sich zu erzählen, ihre Kostüme, ihren Schmuck und ihre Perücken vor. Es kam ihm ganz richtig vor, dass sie sich nicht auf konventionelle Art vorstellte, genauso wenig wurde das von ihm erwartet. Er hatte das Gefühl, sie schon sehr lange zu kennen. Kindheit, Erfahrungen, irgendwelche Arbeiten und alte Lieben waren nichts, worauf er sinnlose Worte verschwenden brauchte. Wichtig war das Hier und Jetzt und dass sie einander gefunden hatten. Alles andere konnte warten. Ihm war bewusst, dass ihr Haar vermutlich nicht ihr eigenes war, aber er wollte auch nicht darüber nachdenken, wie es in Wirklichkeit aussah. Sie erzählte von der Musik, die ihr gefiel, und sie saßen in ihrer Loge und sprachen über Barbra Streisand, Judy Garland und Ute Lemper, bis sie wieder auftreten musste.
»Ich habe dich nicht im Publikum gesehen«, sagte sie, als er ihre Loge verließ.
»Aber du weißt, dass ich dort bin«, erwiderte er und kehrte auf seinen Platz zurück. Einige Minuten später trat sie wieder auf die Bühne und trug Songs aus Cabaret vor. Er war sich bewusst, dass jedes Wort an ihn und an sonst niemanden gerichtet war.
It’s got to happen, happen sometime. Maybe this time I’ll win.
Es war die Verheißung weiterer Begegnungen, und sie trafen sich seither regelmäßig. Er brachte in Erfahrung, an welchen Tagen sie im Fata Morgana auftrat, und war an jedem dieser Abende dort, um ja nichts zu versäumen. Mit ihr zusammen würde er siegen. Mit ihr an seiner Seite existierte eine realistische Möglichkeit, dass er überlebte, und während er jetzt Slussen auf dem Weg zur Gamla Stan überquerte, wusste er, dass Miranda in der Lage war, die Frage zu beantworten, ob es vertretbar sei, einen Mord überhaupt auch nur zu diskutieren, ganz gleichgültig, wie altruistisch die Motive aussahen. Er wollte sich sofort hinauf in ihre Loge begeben und sie fragen, wie es ihr gehe, worüber sie im Laufe des Tages nachgedacht habe und was sie an diesem Abend singen würde, um sich mental darauf vorbereiten zu können. Vielleicht konnte er ihr dabei behilflich sein, die richtige Perücke auszusuchen. Dann würde er verschwinden, sich irgendwo hinsetzen, wo er von der Bühne aus nicht zu sehen war, und in der Welt versinken, die ihre war.
Sie würde ihn nicht sehen können, aber sie würde wissen, dass er dort war, und sich darüber freuen, und ihn anschließend in ihrer Loge empfangen. Dort würden sie dann auf ihren Erfolg anstoßen, da die stetig zunehmenden Gästezahlen deutlich machten, dass sie sich durchgesetzt hatte. Dann hätte er auch Gelegenheit, ihr alles über Hans und Elsa Karlsten zu erzählen. Und sie würde ihm zuhören und ihn verstehen.
»Fredrik«, würde sie sagen. »Ich verspreche dir, dich nie zu verlassen. Wir gehören zusammen, weil du weißt, wer ich bin, so wie ich weiß, wer du bist.«
Anschließend würde sie ihm einen Rat geben.
KAPITEL 7
M ari saß zu Hause in ihrer Wohnung und wartete auf David. Er war noch nicht gekommen, aber das hatte sie auch nicht erwartet. Sie zündete Kerzen an, setzte sich aufs Sofa und aß die belegten Brote, die sie aus dem Fristaden mitgebracht hatte. Jo hatte sie ihr in die Hände gedrückt, ehe sie Feierabend gemacht hatte, und gemeint, sie würden ohnehin nur trocken, und Mari könne sie doch zum Abendessen genießen. Wie schon oft war es ihr wie eine Niederlage vorgekommen, dass immer sie es war, die Mitleid erregte. Anna und Fredrik waren gleichzeitig gegangen und zwar ohne belegte Brote als Proviant.
Auf dem Boden lag ein Brief von Johan mit dem neuen Firmenlogo unter seinem Namen. Er ließ ihr mitteilen, dass er auf eine Anzeige verzichte, sich jedoch ein ärztliches Attest besorgt hätte, das er bei Bedarf verwenden könne. Falls sie je etwas unternähme, was ihm oder seiner Firma schaden könnte, würde er nicht zögern. Außerdem gehe er davon aus, dass sie die Sache irgendwann wiedergutmachen würde. Mit einer nicht näher definierten »Gegenleistung«. Mari hatte den Brief geöffnet, gelesen und beiseitegeworfen. Er hatte tatsächlich nach Rasierwasser gerochen. Sie würde ihn verbrennen müssen.
Sie sah sich um und erkannte, dass das, was sie als ihr »Zuhause« betrachtete, nichts mit einem Zuhause zu tun hatte.
Diese Wohnung war wie ein Einschub in einer Klammer, nur dass zwischen den Klammern der Text fehlte. Das Wort »Zuhause« würde auf immer mit David und ihrem baufälligen Haus in Clifden verbunden
Weitere Kostenlose Bücher