Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
Dann erklärte sie, sie wüssten sicher selbst am besten, wie unnötige Fragen von Banken und Behörden zu vermeiden seien. Sie selbst würde einfach behaupten, sie hätte Bargeld gebraucht, weil verschiedene Zahlungen für das Haus fällig geworden wären, das würde niemanden weiter verwundern.
Anna staunte über die intellektuellen Kapazitäten, die frei geworden waren, als hätte man Moos von einem hübsch verzierten Runenstein gekratzt. Sie fragte, ob die Polizei oder das Krankenhaus von sich hatten hören lassen hatten. Elsa Karlsten nickte und rückte ihren roten Hut zurecht. Die Hutfeder verdeckte teilweise ihr Gesicht. Schick. Allerdings zitterte ihre Hand, als sie sie nach der Kaffeetasse ausstreckte. Schwarzer Espresso mit etwas Milch und Kardamom, wie sie es bestellt hatte.
»Ja. Die Polizei ließ mitteilen, dass es keinen Grund für weitere Nachforschungen gibt. Und für die Mediziner scheint der Fall ebenfalls abgeschlossen zu sein. In seiner Krankenakte stand schließlich so einiges, und dann noch der Tabletten- und Alkoholmissbrauch, wie gesagt …«
In diesem Augenblick schaute Jo zur Tür herein. Anna fielen die frischgewaschenen Haare auf, und sie dachte, dass Jo wirklich nett war und mit jedem neuen Arbeitstag glücklicher wirkte. Jo suchte ihren Blick und entschuldigte sich gleichzeitig für die Störung. Sie wolle nur mitteilen, dass ein Paar im Café säße, das wissen wolle, ob Kleopatras Kamm auch Familientherapie anböte. Anna ging zur Tür und versuchte sich möglichst breitzumachen, damit Jo die prallen Umschläge auf dem Tisch nicht bemerkte. Sie bat Jo, dem Paar auszurichten,
sie seien in einer halben Stunde willkommen. Dann machte sie ihr die Tür vor ihrer Nase zu.
Elsa Karlsten beendete das Gespräch mit einer Einladung zur Beerdigung. Als sie gegangen war, steckten sie alle drei wortlos die Umschläge ein. Fredrik fuhr sich mit einem Finger über den Kragen und sagte dann an niemand Bestimmten gewandt, jetzt sei es vorbei. »Es ist vollbracht«, wiederholte er, als müsse er sich selbst überzeugen. Anna verstand, was er meinte. Die Bezahlung war mit Handschlag quittiert worden. Das Schicksal Hans Karlstens und die gesamte Geschichte gehörten somit der Vergangenheit an. Endlich war die Sache für sie zu Ende.
Für Papa konnte es der Anfang sein.
KAPITEL 14
A nna saß in einer der Kirchenbänke, betastete einen Strauß weißer Rosen und sah sich um. Der Pfarrer sprach mit eintöniger Stimme, die sie immer mehr an das Zirpen einer Grille erinnerte. Es war eine schöne Kirche. Weiße Wände und bunte Fenster mit Szenen aus dem Leben Jesu, ein schlichter Altar mit einem hübschen Kerzenhalter … alles erweckte den Anschein von Versöhnung und nicht von Verurteilung. Hier würde es Papas Gott gefallen, während Mamas sich vermutlich die ältere und strengere Kirche auf der Anhöhe aussuchen würde. »Im Schweiße deines Angesicht sollst du zu den Wohnungen der Frommen wandern«, so ungefähr hätte sie sich ausgedrückt. Papa hätte nur tief Luft geholt und erwidert, dass es noch niemandem bekommen sei, sich derart zu verausgaben, bevor die Predigt überhaupt begonnen habe.
Vorne stand ein einfacher Sarg aus braunem Holz, auf dem einige wenige Blumensträuße und Gestecke lagen. Es waren nicht sonderlich viele Trauergäste anwesend. Anna blickte zu den Bankreihen jenseits des Mittelgangs hinüber. Hier saß Elsa Karlsten mit drei Männern, die vermutlich ihre Söhne waren. Neben ihnen zwei Frauen, vermutlich Gattinnen oder Freundinnen. Einige Kinder kämpften gegen die Langeweile an. Links befanden sich einige Männer um die sechzig, Kollegen oder Nachbarn, und recht weit hinten ein einzelner
Herr, der sie freundlich gegrüßt hatte, als sie draußen auf dem Friedhof gewartet hatte.
Eine verträumte Kirche für Hans Karlstens letzte Reise? Ein schöner Gedanke, vielleicht sogar zu schön für einen Toten, der ihrer Meinung nach keine Qualitätsseele besessen hatte, die er in die Ewigkeit weiterschicken konnte. Anna hörte, wie der Pfarrer vom Leben und Wirken Hans Karlstens erzählte. Er hatte sich vorbereitet. Souverän führte er die Zuhörer durch die Stationen Geburt, Ausbildung, Eheschließung, Kinder, Arbeit und Tod. Hans Karlstens offizielles Leben in der geschönten Version. Exkurse über Gewalt, Alkohol- und Tablettenmissbrauch waren nicht vorgesehen.
Wie es sich gehörte, zeigte das Altarbild den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Anna rutschte auf ihrer Bank
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