Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
ich weiß nicht, wie ich ohne dich sein soll. Aber dann gibt es auch diese düsteren, nächtlichen Gedanken, wenn David …«
Sie verstummte, weil sie sich fast verplappert hätte, dann fuhr sie jedoch fort.
»Dass du dich derart beherrschen konntest, niemand bei diesem Leichenschmaus hat dir etwas angemerkt, das ist schon bewundernswert. Wie konntest du diese Veranstaltung nur überstehen?
Geistesabwesend starrte Anna auf ihre Hände.
»Er rückte erst ganz am Schluss mit seinem Wunsch heraus«, sagte sie. »Ich konnte nur noch sagen, dass Elsa nach dem Tod ihres Mannes vollkommen außer sich gewesen sein muss und deswegen wahrscheinlich einiges missverstanden habe. Ich habe ihn darauf hingewiesen, nichts hätte darauf hingedeutet, dass Hans Karlsten keines natürlichen Todes gestorben sei, des Weiteren hätten wir Elsa Karlsten lediglich in finanziellen Fragen beraten. Daraufhin sah er mich etwas erstaunt an und meinte, er würde trotzdem zu einem Gespräch im Café vorbeikommen. Wahrscheinlich wird er seinen Wunsch wiederholen. Dann fügte er noch hinzu, dass er bereit
sei, doppelt so viel wie Elsa zu zahlen. Drei Millionen, wie gesagt. Für jeden eine. Das sind ziemlich viele Bäume.«
Sie verstummte und schien nachzudenken.
»Glaubst du, dass es mehrere Wirklichkeiten geben kann?«
»Wie meinst du das?«
Anna seufzte erneut. Sie hatte ihr Glas zur Hälfte geleert und schien etwas beruhigt.
»Greg sprach immer von den verschiedenen Wirklichkeiten. Du weißt doch, er tauchte und stellte immer Betrachtungen darüber an, wie die Schwerelosigkeit im Wasser unser Zeitgefühl verändere. Das Jetzt würde irgendwie unendlich. Es gäbe nichts anderes als den Augenblick, es gäbe weder Geschichte noch Zukunft. Nur ein träges Paddeln im Wasser und totale Stille. Aber vielleicht war es ja gar nicht so merkwürdig, dass er unter Wasser so empfand, weil er auch auf Land so lebte. Ich bin noch nie jemandem begegnet, der den Augenblick so genießen konnte, und das verlieh ihm irgendwie eine wahnsinnige Ruhe. Laut Greg gab es nichts, worüber man sich Sorgen zu machen brauchte. Deswegen war es auch immer so unendlich geruhsam in seiner Gegenwart. Unter anderem deswegen.«
»Er fehlt dir?«
Anna schwieg so lange, dass sich Mari schon gar nicht mehr sicher war, ob sie überhaupt eine Antwort bekommen würde. Unterschiedliche Wirklichkeiten hatte auch sie selbst mit David zusammen erlebt. Aber auf eine andere Art.
»Ja, er fehlt mir«, sagte Anna endlich. »Ich gebe zu, dass mich Martin Danelius’ Worte über die zwei Menschen, die füreinander geschaffen sind, berührt haben. Auf die Treue habe ich mich nie sonderlich gut verstanden. Das weißt du. Aber vielleicht habe ich nicht gewagt, treu zu sein, weil ich Angst hatte, selbst enttäuscht zu werden. Da ist es besser, als Erste zu gehen, dann bleibt einem die Schmach erspart. Oder die ewige Verdammnis Gottes, um mit meiner Mutter
zu sprechen, obwohl Papa immer zu mir gehalten hat. Papa und Greg sind sich nur wenige Male begegnet, aber sie waren sich sympathisch, und das hätte mich verstehen lassen sollen, dass ich meinen sicheren Hafen gefunden hatte. Aber dann war da noch Fanditha. Ich glaubte mich in ihr Leben einmischen zu müssen. Gerade ich, die immer Toleranz und Selbständigkeit gepredigt hatte. Ich wagte nicht, sie irgendwohin gehen zu lassen, wohin ich ihr vielleicht nicht folgen konnte. Recht einfach, wenn man darüber nachdenkt. Ich wollte zu viel, und wer zu viel will, verliert immer, was er haben will.«
»Und jetzt hast du dich in eine unmögliche Situation hineinmanövriert. Genau wie ich.«
»Genau. Jetzt bin ich in eine unmögliche Situation geraten. Genau wie du.«
Sie sahen sich an.
»Wir müssen ihm sagen, dass er die Situation missverstanden hat«, meinte sie. Der Portwein und ihre eigenen Worte hatten sie beruhigt. »Wir müssen an unserer Version festhalten: Hans Karlsten ist eines natürlichen Todes gestorben, aber Elsa Karlsten will etwas anderes glauben, und wir belassen sie in diesem Glauben. Wir riskieren natürlich, dass er ihr erzählt, was wir gesagt haben, und dass sie ihr Geld zurückverlangt. Falls sie ihn nicht doch selbst umgebracht hat, denn dann hat sie jeden Grund, den Mund zu halten.«
Sie verstummte. Sie war sich im Klaren darüber, dass ihre Worte jeglicher Logik entbehrten. Hätte Elsa Karlsten ihren Mann selbst ermordet, dann hätte sie Kleopatras Kamm nicht weiterempfohlen, sofern sie nicht vollkommen
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