Mord Wirft Lange Schatten: Mitchell& Markbys Dreizehnter Fall
Dach ertragen. Ich schrieb ihr ein exzellentes Zeugnis und fand sie mit einem vollen Monatslohn ab. Sie hat es mir mit schändlichen Lügen gedankt.« Oakley erhob sich aus dem Sessel.
»Und nun wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mein Haus wieder verlassen würden. Ich erwarte jeden Augenblick den Tierarzt. Ich habe nicht die Absicht, noch mehr von Ihren einfältigen Fragen zu beantworten.« Hier war heute nichts mehr zu gewinnen. Wood und Patterson verabschiedeten sich und gingen. Patterson war unübersehbar erleichtert, endlich aus dem Haus zu sein. Auf dem Weg zur Straße hinunter hörten sie Kinderlachen. Ein kleiner Junge, vielleicht vier Jahre alt, sprang aus einem Gebüsch und rannte auf die beiden Männer zu. Als er die Fremden erblickte, blieb er stehen.
»Master Edward, kommen Sie sofort hierher zurück!« Eine junge Frau brach aus dem Gebüsch. Ihre Uniform verriet Wood, dass sie das Kindermädchen war. Sie war bemerkenswert hübsch, mit geröteten, erhitzten Wangen und vollkommenen Zähnen hinter den leicht geöffneten vollen Lippen. Als sie Wood und Patterson bemerkte, stockte auch sie, genau wie vor ihr der Knabe, und genau wie der Knabe zeigte sie mehr Neugier als Erschrecken. Trotzdem machte Wood sich nichts vor. Sie hatte sicher keine Schwierigkeiten zu erkennen, aus welchem Anlass die Männer gekommen waren. Ironisch dachte er, dass es ihre Haltung nicht eine Sekunde lang ins Schwanken brachte, nicht einmal ihre Augen zuckten. Das ist vielleicht eine kecke kleine Madam, kein Zweifel!, dachte Wood.
»Guten Tag, Gentlemen«, begrüßte sie die beiden Polizisten und schenkte ihnen ein angenehmes Lächeln. Dann ging sie zu dem Knaben und nahm ihn hoch.
»Entschuldigen Sie, Master Edward, aber es ist Zeit für den Tee.« Sie trug den Jungen in Richtung Haus. Aus dem Netz geschlüpft, bevor Wood ihr auch nur eine einzige Frage hatte stellen können. Er spürte eine Mischung aus Ärger und Bewunderung. Patterson, der sich aufgerichtet hatte, als ihr hübsches Lächeln auf ihn gefallen war, entspannte sich nun wieder und blickte ein wenig sehnsüchtig drein.
»Daisy Joss«, murmelte Wood.
»Was, diese nette junge Person?«, fragte Patterson ehrlich schockiert.
»Genau, Mr. Patterson. Diese nette junge Person!«, schnappte Wood.
»Und es wäre wahrscheinlich klüger von Mr. Oakley gewesen, wenn er sie entlassen hätte statt Mrs. Button.«
KAPITEL 6
AM FOLGENDEN Montagabend stand Meredith auf dem Bahnsteig von Paddington, während sie auf den Zug nach Hause wartete. Es war ein anstrengender Tag gewesen, und der Hauptgrund für ihren Stress hörte auf den Namen Adrian. Meredith besaß ein großes Büro, doch sie musste es sich mit jemand anders teilen. Es gab jede Menge Platz, und die Schreibtische standen in gegenüberliegenden Ecken. Bis jetzt hatte das Arrangement stets einigermaßen funktioniert. Gerald hatte an dem zweiten Schreibtisch gesessen. Doch Gerald war versetzt worden, und Adrian war an seine Stelle gekommen. Meredith hätte nie gedacht, dass sie Gerald sehr vermissen würde, seine Vorliebe für Klatsch, die Hingabe, mit der er die Erzeugnisse der Boulevardpresse verschlang, seine Schublade voll mit Marsriegeln, anderen Süßigkeiten und leckeren Snacks. Adrian war aus ganz anderem Holz geschnitzt. Auf der Haben-Seite war er jung, groß gewachsen, gut gebaut und im Besitz eines erstklassigen Universitätsabschlusses. Auf der negativen Seite besaß er eine Gesichtsfarbe so rot wie eine frisch gekochte Garnele, rötlichblondes Haar, ein fliehendes Kinn und eine Vorliebe für hellblaue Hemden und italienische Anzüge. In römischen Zeiten hatten bestimmte Sorten von verurteilten Kriminellen ein Kainszeichen auf der Stirn getragen, ein Brandmal, das andere warnen sollte. Merediths Meinung nach hätte Adrian nach dieser Tradition
»Ehrgeiz« als charakterisierendstes Merkmal gut gestanden. Sie hatte schnell herausgefunden, dass er ein heimlicher Lauscher war, ein Mann, der es vorzugsweise mit beiden Seiten hielt, der sich nie festlegte und stets ein Hintertürchen offen hatte. Er suchte gezielt die Bekanntschaft zu denjenigen, die ihm in beruflicher Hinsicht von Nutzen sein konnten, und er behandelte jene mit Gleichgültigkeit, für die dies nicht galt. Und Meredith, so hatte er offensichtlich entschieden, gehörte zur zweiten Kategorie. Sie war ohne jeden Nutzen bei seinem Streben nach Macht und Einfluss. Als Resultat war sein Benehmen ihr gegenüber bestenfalls abfällig,
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