Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord zur Geisterstunde

Mord zur Geisterstunde

Titel: Mord zur Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
bisschen unfair, denn schließlich hatte sie seine Bemerkung mit einem Lächeln quittiert. Andererseits konnte sie sich denken, |79| was jetzt gerade in seinem Kopf vorging. Was wollte eine ältere Dame aus Amerika, die sich einen alten englischen Adelstitel gekauft hatte, bei einer Firma, die Daten vernichtete?
    Doherty war ein guter Detektiv. Wenn er nachdachte, konnte er sich völlig in sich zurückziehen. Das machte er jetzt. Sein Blick war entrückt, als könnte er sich unmöglich mit trivialen Scherzen befassen, ehe er nicht ernstere Dinge erledigt hatte. Fröhliches Geplauder perlte zur Zeit an ihm ab.
    »Ich fahr mal zu denen hin. Doch erst wollen wir die Formalitäten erledigen.« Er hielt den Stift in der Hand und wartete darauf, dass sie ihre Aussage machte.
    Sie gingen alle Einzelheiten durch. Wann Mary Jane und sie aus dem Hotel weggegangen, wann sie vor dem Garrick’s Head eingetroffen waren.
    »Bist du da sicher? Wie seid ihr hingekommen?«
    »Wir sind zu Fuß gegangen – selbstverständlich.«
    Er schaute hoch. »Bei dem Wetter? Warum bist du nicht mit dem Auto gefahren?«
    »Ha!« Sie tat diese Bemerkung lächelnd mit einer Handbewegung ab. »Es war doch nur ein kurzer Spaziergang.«
    Darauf ging er nicht weiter ein. Das war auch gut so. In Wahrheit lag die Sache etwas anders. Als Mary Jane für immer nach England gezogen war, hatte sie aus den Vereinigten Staaten ihren liebsten und teuersten Besitz mitgebracht: ein zweitüriges Cadillac-Cabriolet in Quietschrosa. Seit der ersten Ausfahrt in diesem Auto hatte Honey schreckliche Angst, noch einmal dort einsteigen zu müssen. Das Problem war nicht die Farbe, sondern Mary Janes Fahrstil. Doch die alte Dame war ein empfindsames Wesen, und Honey hatte nicht die Absicht, sich über ihre chaotische Fahrweise zu äußern – absichtlich oder aus Versehen.
    Stattdessen erklärte sie, dass zu dem Zeitpunkt, als sie beim Theater ankamen, die Theaterbesucher bereits den Pub verlassen hatten und nun nebenan im goldverzierten Theatre Royal saßen.
    »Also war es ganz bestimmt Viertel nach acht. Es war niemand da, nur wir.«
    |80| »Ein paar Irre auf einem Gespensterspaziergang. Ich kapiere.« Er notierte es.
    Sie warf ihm einen bitterbösen Blick zu. »Höchstens zwei von zehn möglichen Punkten für politische Korrektheit. Ich habe wirklich was dagegen, dass du mich als Irre bezeichnest. Es hat Spaß gemacht. Na ja, jedenfalls gibt es tatsächlich Leute, die diesen ganzen Kram glauben.«
    Er schaute hoch, ohne den Kopf zu heben, hielt den Kugelschreiber immer noch fest auf den Block gedrückt. »Manche Kinder glauben ja auch noch an den Weihnachtsmann.«
    »Nennst du mich jetzt eine Irre oder nur unreif?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Jedenfalls war ich da, weil mich Mary Jane eingeladen hatte, vergiss das nicht.«
    »Also,
die
ist tatsächlich eine Irre«, erwiderte er. Er beugte sich näher zu ihr hin. »Was ich eigentlich gemeint habe: Ihr standet also da im strömenden Regen. Dabei hatte ich meinen freien Abend, und du hättest gemütlich und warm ganz woanders unter einer kuscheligen Decke liegen können.«
    Sie lehnte sich ebenfalls vor und stieß beinahe mit dem Kinn an seine Nase, während sie ihm in die Augen lächelte. »Du hast dir ja lange genug Zeit gelassen.«
    Mit einem Ruck zog er den Kopf weg. »Du hast gesagt, du hättest zu tun.«
    »Du auch. Und ich musste erst noch in Form kommen.«
    »Wofür?« Er breitete die Arme mit nach oben gerichteten Handflächen aus und zuckte die Achseln. »Sag mir, wofür?«
    »Ich hab’s schon beim ersten Mal verstanden.«
    Sie schniefte und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie konnte von einer Sekunde zur anderen auf die Miss-Eingeschnappt-Nummer umschalten. »Ich wollte was erreichen.«
    Er grinste. »Ich auch.«
    »Hast du je darüber nachgedacht, dir auch ein bisschen mehr Bewegung zu verschaffen?«
    »Ich find mich gut, so wie ich bin.«
    Sie bemerkte, dass sich sein Tonfall geändert hatte. Sie würde |81| ihm nicht das Geständnis entlocken, dass er joggen gewesen war. Das würde sie schon noch rauskriegen. Mit der Zeit würde sie es rauskriegen.
    Er schaute ernst. »Also, das Wichtigste zuerst.«
    Nun waren wieder der Kugelschreiber und Honeys Aussage an der Reihe. Steve legte den Notizblock auf seine Knie, was bedeutete, dass er die Beine fest zusammenpressen musste und wie eine prüde alte Jungfer da saß.
    »Also, wo waren wir?«
    Schritt für Schritt, Satz für Satz geleitete sie ihn

Weitere Kostenlose Bücher