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Mord zur Geisterstunde

Mord zur Geisterstunde

Titel: Mord zur Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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durch alle Pfützen und über sämtliche Pflastersteine des Gespensterspaziergangs bis hin zu dem steil abfallenden Gässchen, das an den Antiquitätenläden vorüber zur George Street führte.
    »Dann habe ich was gehört und über die Schulter zurückgeschaut.«
    »Wer war es?«
    »Ich konnte niemanden sehen. Aber ich denke, dass sie – Lady Templeton-Jones – schneller zu gehen anfing. Erstaunlich schnell für eine Frau mit einem Spazierstock. Manchmal dachte ich, dass sie versucht hat, mich abzuhängen. Manchmal schien es, als wollte sie hinter mir zurückbleiben.«
    »Dich abhängen?«
    Sie überlegte. Ja, dachte sie. Das war’s. Ihre Ladyschaft hatte versucht, sie abzuhängen. »Sie fand wohl meine Gesprächsversuche nicht so toll. Waren vielleicht unter ihrem Niveau, was meinst du?«
    »Denk an gestern Abend zurück. War da noch was?«
    »Dein Wunsch ist mir Befehl.« Sie lehnte sich wieder in ihrem Stuhl zurück und schloss die Augen. Vor ihrem geistigen Auge konnte sie die unebenen Pflastersteine sehen, die Nässe, die auf der Oberfläche schimmerte. Sie erinnerte sich an die Schnürsenkel ihrer Turnschuhe, die immer aufgingen, und erzählte ihm davon.
    »Ich bin stehen geblieben, um mir die Schuhe zuzubinden, und als ich wieder aufgeschaut habe, war sie weg!«
    Er stellte ihr eine weitere Frage, auf die sie keine rechte Antwort |82| wusste. Was hatte sie genau gesehen? Regen. Dunkelheit. Füße. Einen Hut. Sie überlegte so lange, dass er annahm, sie hätte seine Frage nicht gehört, und sie noch einmal wiederholte.
    »Hast du sonst noch jemanden gesehen?«
    Ihre Antwort war seltsam ausweichend. Warum führten die Lippen immer ein Eigenleben, wenn eine Frage schwer zu beantworten war?
    Das Wichtigste zuerst! Sie holte tief Luft. »Ich habe am anderen Ende der Gasse Leute auf der George Street gesehen. Ich habe vermutet, dass mich unsere Gruppe irgendwie überholt hatte, wenn ich mir auch nicht vorstellen konnte, wie das passiert sein sollte. Ich dachte, Lady Templeton-Jones stünde schon bei ihnen. Doch dann habe ich mir überlegt, dass sie in so kurzer Zeit nicht so weit hätte gehen können – selbst wenn sie mit ihrem Spazierstock im Marschtempo losgezogen wäre. Aber es war sowieso nicht unsere Gruppe.«
    Pflichtbewusst schrieb er das alles auf.
    Sie schlang die Hände um die Knie, drückte so fest, dass die Gelenke knackten. Vielleicht würde er die gefürchtete Frage nicht stellen. Die Frage, auf die sie keine Antwort wusste.
    Natürlich stellte er sie doch.
    »Hast du sonst noch jemanden in der Nähe gesehen, nachdem du bemerkt hattest, dass die Lady weg war?«
    Sie nickte und versuchte, so vernünftig wie möglich zu schauen. »Es ist jemand an mir vorbeigegangen. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, nur Lacklederschuhe und einen großen Hut.«
    »Größe? Körpergewicht? Sonst was?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es war eine stürmische und dunkle Nacht, wie sie im Buche steht.«
    Sie war überzeugt, dass sie ihren Beitrag geleistet hatte, und verschränkte wieder die Hände vor den Knien. Sie starrte auf die Kappen ihrer braunen Wildlederpumps. Es dauerte eine Weile, ehe sie bemerkte, dass Doherty ihr einen seiner intensiven, bedeutungsvollen Blicke zuwarf. Merkwürdig, wie er das immer machte. Und noch merkwürdiger, dass sie immer
wusste
, dass er es machte. Es war beinahe, als kitzelten sie seine Blicke.
    |83| »Hast du ihn erkannt?«
    »Nein.«
    »Ich kann dir an der Nasenspitze ablesen, dass es eine besondere Bewandtnis mit ihm hatte. Rück schon raus damit. Was war es?«
    Sie wand sich vor Verlegenheit. Sie schlang die Arme noch fester um die Knie und holte tief Luft. »Seine Schuhe waren nicht nass. Es war kein Tröpfchen Wasser drauf.«
    »Okay, okay. Dann hatte er sich eben untergestellt. Irgendwo in einem Eingang. Unter einem Mauervorsprung. Davon gibt’s ja wahrhaftig auf dieser Gasse genug.«
    »Ja, das stimmt wohl.«
    »Noch etwas?«
    Dieser
Blick brachte sie wirklich völlig aus der Fassung.
    Sie legte den Kopf in den Nacken und schaute zur Decke hinauf. Sie ließ die Augen über die kunstvollen Stuckverzierungen schweifen und blieb schließlich bei einer Traube in einer Ecke hängen. Hätte sie einen Hang zur Geheimnistuerei gehabt, so hätte sie jetzt den Mund gehalten. Aber das schaffte sie nicht. Sie musste einfach die Wahrheit sagen.
    »Äh, ich bin nicht sicher, ob er überhaupt einen Körper hatte.«
    Schweigen. Und ein fragender Blick von Steve. Honey schaute weiter zur

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