Mord zur Geisterstunde
eleganten Augenbrauen in die Höhe. »Was ist denn das für ein aggressiver Ton!«
Sie bemerkte die Warnung, die in seiner Stimme mitschwang. Hoppla. Immer schön mit der Ruhe, Mädchen. Erinnere dich, dass du auf deinem Butterbrot auch noch sehr gern Marmelade magst.
Dass ihr gerade noch die Zimmerreservierungen wieder eingefallen waren, die man ihr für ihre Arbeit als Verbindungsperson zur Polizei zuschob, linderte ihre Wut ein wenig. Ihre Stimme klang nun zuckersüß.
»Es handelt sich hier um eine polizeiliche Untersuchung. Auch die Medien sind sehr an der Sache interessiert, und Sie haben relevante Informationen. Wer weiß, ob Sie nicht vielleicht sogar auf einer Titelseite landen. Moment mal, ich mache rasch noch ein Foto.«
Mit diesen Worten nahm sie die getreue Handtasche von der Schulter und wühlte darin nach ihrem Handy.
Die bloße Erwähnung von Fotos und Titelseiten hatte den attraktiven Schauspieler nervös werden lassen. »Hm«, meinte er und machte mit der Eleganz eines Turniertänzers ein paar Schritte zurück. »Vielleicht ein anderes Mal, Casper. Ich hatte ja auch versprochen, bei einer alten Freundin vorbeizuschauen …« Er winkte Casper zum Abschied noch mit einer kleinen Handbewegung zu, ehe sein langsamer Walzer rückwärts sich zu einem Quickstepp beschleunigte.
Casper sah aus, als hätte man ihm einen Räucherhering um die Ohren geschlagen. Sein selbstgefälliges Lächeln und seine wütend geblähten Nüstern waren von einer Sekunde auf die andere |175| verschwunden. Aber er war kein Mann, der sich so leicht unterkriegen ließ. Eine Gruppe von Frauen hatte den hübschen Joe Tierney erkannt. Sie raunten einander aufgeregt zu.
Casper bemerkte sie. »Aber, meine Damen! Er interessiert sich wesentlich mehr für mich als für Sie!«
Einen Augenblick lang herrschte Verwirrung in der Gruppe. Die jungen Frauen feierten wohl einen Junggesellinnenabschied, nach ihrem schallenden Gelächter und ihren zweideutigen Bemerkungen zu urteilen. Schon hatten sie die Verfolgung aufgenommen.
»He! Joe! Komm sofort hierher zurück!«
»Joe! Sag uns, dass das nicht wahr ist!«
»Joe,
zeig
uns, dass es nicht stimmt!«
Sie jagten mit klappernden Absätzen und grölend hinter ihm her.
Casper seufzte. »Jetzt könnte ich einen Drink gebrauchen.«
Nun, da die Touristen gegangen waren, herrschte in der Bar eine etwas ruhigere Atmosphäre. Sie steuerten auf die Ecke beim Fenster zu.
Bei einem großen Sherry erzählte ihnen Casper, was er gesehen hatte – allerdings nicht sonderlich viel. Er spitzte die Lippen und hielt das Foto auf Armlänge vor sich hin. Dann bestätigte er, dass er sich daran erinnerte, die Frau bemerkt zu haben. »Sie war im Salon, und ich auch.«
Honey war immer noch ein wenig wütend auf Casper und konzentrierte sich auf ihren dritten Wodka mit Tonic. Ihre Hand zitterte. Casper vermutete, dass es mit ihrem Sturz zu tun hatte.
»Immer mit der Ruhe«, sagte er und legte seine Hand auf die ihre. »Tief durchatmen. Bis zehn zählen.«
»Du liebe Güte, Casper, was sind das für väterliche Töne!«
Er verzog das Gesicht. »Gott behüte!«
Sie versuchte, sich und ihren zerrissenen Rock zusammenzuraffen.
Casper schaute hin und zog missbilligend die Augenbrauen in die Höhe. »Schwarzes Futter in einem hellen Rock?« Der bloße Gedanke schien ihn zu beleidigen.
|176| Sie klärte ihn auf. »Nein, das ist meine Unterwäsche.«
»Gott sei Dank.« Dann beschrieb er den jungen Mann, den er mit Lady Templeton-Jones gesehen hatte.
»Er war ein dicklicher Jüngling, dessen einziger Pluspunkt wohl war, dass er sich mühelos in jeder Menschenmenge unsichtbar machen könnte. Ein Allerweltstyp, so würde man ihn am besten bezeichnen. Seine Kleidung ist nur erwähnenswert, weil sie außerordentlich unauffällig war: grüner Anorak, dunkle
Polyester hose
.«
Casper spuckte das Wort Polyester aus, als hätte es ihn persönlich in den Mund gestochen.
»Ich weiß, wo wir ihn finden können!«, rief Honey und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Das ist Simon von ASS.«
Casper schaute sie verächtlich an. »Was haben Sie da gesagt?«
»Associated Security Shredding. Das ist eine Firma.«
»Eine unglückselige Namenswahl.«
»Genau meine Meinung.«
Doherty hatte den Wagen am Queen Square geparkt und bestand darauf, sie nach Hause zu fahren.
»Ich kann laufen.«
»Deine Knie sehen aber gar nicht gut aus. Die tun bestimmt weh. Und deine Nase auch.«
Sie fasste sich vorsichtig an die
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