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Mord

Mord

Titel: Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ludwig Kröber
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mitbringen, damit er was zum Wechseln habe. Der alte Kleiderschrank füllte sich dann Stück um Stück wieder, und Melinda wurde immer freundlicher. Aber freitags kam nach wie vor Ron.
    Anfang November rief Melinda Alan ziemlich spät an: «Komm rüber und bring eine Flasche Gin mit.» Er merkte an ihrer Stimme, dass etwas passiert sein musste. Er brachte Whisky mit und ein paar Flaschen Cola. Als er ankam, saß Melinda auf dem Sofa und weinte heftig. Sie murmelte etwas, was er nicht verstand. Er reichte ihr einen Drink, den sie sofort hinunterstürzte. Schließlich sagte sie, die Hände auf den Knien und den Blick unter den Couchtisch gerichtet: «Er will sie nicht verlassen.» Alan sagte, dass er das schon lange wisse. Er hatte Ron Terryman noch einmal in seiner Werkstatt besucht und ihn gefragt, ob er sich scheiden lassen werde. Darauf hatte Ron gesagt, niemals, er habe vier Kinder. Alan hatte ihm vorgeworfen, er spiele mit Melinda und ruiniere ihr Leben. Doch Ron hatte entgegnet, er solle sich schleunigst verpissen und sich auch nie mehr in der Nähe von Melindas Wohnung blicken lassen, sonst bekomme er einen Schraubenzieher zwischen die Rippen.
    Das erzählte Alan ihr jetzt aber nicht, sondern nur: «Ich weiß das, schon lange.» Melinda schnaufte, putzte ihre Nase und legte das geknüllte Taschentuch zu den vier anderen, die schon auf dem Couchtisch lagen. Sie trank noch zwei Gläser Whisky, während Alan ihr in der Küche etwas zu essen machte. Dann sagte er ihr, dass er sie ja nie wirklich verlassen habe und nur gegangen sei, weil sie das immer wieder verlangt habe. Sie sagte, dass sie weiter bei Terry arbeiten müsse, des Geldes wegen. Alan meinte: «Okay, wenn es dir da gefällt.» Obwohl es ihm lieber gewesen wäre, wenn sie aufgehört hätte.
    Er war dann immer häufiger auch nachts bei Melinda geblieben. Eines Abends verlangte sie von ihm, dass er sie zu einem Restaurant fuhr. Sie blickten von außen hinein und sahen Ron mit einer anderen Frau. Melinda sah Alan an und nickte mit dem Kopf. Sie habe das nur sehen wollen. Dann fuhren sie zurück. Als sie in der Wohnung waren, sagte sie, er solle doch zurückkommen, sie sollten es noch mal versuchen. Alan entgegnete, das sei nicht so einfach, er müsse darüber nachdenken. Es war ja auch ganz schön bei seinen Eltern, und wenn sie etwas Abstand hatten, dachte er, sagte es aber nicht. Er fürchtete, dass es wieder zu Explosionen käme, wenn sie die ganze Zeit zusammen wären. Daher blieb er bei seinen Eltern wohnen.
    Im Januar war Melinda ziemlich fertig. Sie sagte Alan nicht, warum, aber er merkte es an den Ringen um ihre Augen. Schließlich meinte sie: «Lass uns weggehen, wir müssen mal weg, raus aus alldem. Lass uns zusammen weggehen. Wenn wir das durchstehen, können wir alles durchstehen.» Das stimmt ja auch, dachte Alan. Auswandern, dachte er, genau, warum nicht auswandern. Erst wollten sie nach Australien, aber das ging nicht; dafür hätte man dort schon vorher feste Arbeit nachweisen müssen. Melinda fragte, welche anderen Sprachen er spreche, und Alan sagte: Keine, außer ein paar Worte Deutsch. Sie sagte: «Deutschland, die haben eine starke Wirtschaft, da gibt es sicher Arbeit.» Alan schrieb an die Deutsche Botschaft und erkundigte sich nach den Arbeitsbedingungen. Man antwortete ihm, er müsse Deutsch können.
    Im Februar beschlossen sie gemeinsam, es zunächst in Deutschland zu versuchen. Nicht sofort zusammen mit den Kindern, das war unpraktisch. Aber Alans Eltern unterstützten den Plan und waren bereit, alle drei Kinder so lange zu nehmen. In den folgenden Wochen saßen Alan und Melinda am Küchentisch, auf dem ein Radio mit Tonbandteil stand, und versuchten anhand von Kassetten Deutsch zu lernen.
     
    So konnte Melinda einige Schilder und Aufschriften deuten, die sie sah, als sie jetzt mit dem Flughafenbus durch Mannheim fuhren, am Wasserturm anhielten, wo eine Reihe von Fahrgästen den Bus verließ. Dann fuhren sie ostwärts auf den Odenwald zu, das war ein schönes Bild, zumal die Sonne jetzt herauskam und die Berge beleuchtete. Irgendwo vor ihr musste Heidelberg sein, sie erwartete, dass gleich das berühmte Schloss am Berghang auftauchte, aber da war nichts, nur ein Mast auf der Bergspitze. Wenn alles nicht klappt, dachte sie, wird es zumindest ein schöner Osterurlaub. Vor der Abfahrt hatte sie bei Ron drei Wochen Urlaub genommen, ihm mitgeteilt, es könnte auch länger werden; gekündigt hatte sie nicht. Außerdem hatte sie Ron

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