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Morddeutung: Roman (German Edition)

Morddeutung: Roman (German Edition)

Titel: Morddeutung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jed Rubenfeld
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schweren Messinggegenstand aus seinem Kofferraum, der aussah wie ein auf einem Kerzenhalter befestigter Automobilscheinwerfer. Es war eine elektrische Lampe. Dann führte er Betty ins Balmoral. Mit dem Aufzug im Alabaster-Flügel fuhren sie hoch in den obersten Stock.
    »Wie groß war Miss Riverford?«, fragte Littlemore auf dem Weg hinauf.
    »Ein bisschen größer als ich.« Betty war eins siebenundfünfzig. »Zumindest hat sie größer ausgesehen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Sie hatte immer hohe Absätze an«, erklärte Betty. »Sehr hohe Absätze. War aber nicht daran gewöhnt.«
    »Wie viel hat sie gewogen?«
    »Ich weiß nicht, Jimmy. Warum?«
    Die Halle im siebzehnten Stock war leer. Ohne Bettys Einwände zu beachten, knackte Littlemore das Schloss von Miss Riverfords Wohnung und öffnete die Eingangstür. Drinnen war alles still und dunkel. Es gab kein Licht. Die Lampen waren entfernt worden.
    »Was machen wir denn hier?«, flüsterte Betty.
    »Wir finden was raus.« Littlemore steuerte durch den Korridor auf Miss Riverfords Schlafzimmer zu und leuchtete mit seiner flackernden Lampe in die Finsternis.
    »Ich will da nicht rein.« Dennoch folgte ihm Betty zögernd.
    Sie erreichten die Tür. Als Littlemore nach dem Knauf griff, erstarrte seine Hand mitten in der Bewegung. Plötzlich erfüllte ein hoher Laut die Luft. Er kam direkt aus dem Schlafzimmer. Der Laut schwoll an und wurde schließlich zu einer Art fernem Jaulen.
    Betty packte Littlemores Arm. »Das ist das Geräusch, von dem ich dir erzählt habe, Jimmy. Das Geräusch, das wir am Morgen nach Miss Riverfords Tod gehört haben.«
    Der Detective öffnete die Tür. Das Jaulen wurde noch lauter.
    »Geh nicht rein«, beschwor ihn Betty.
    Jäh riss das Jaulen ab. Alles war still. Littlemore betrat das Zimmer. Betty wollte nicht allein draußen bleiben und klammerte sich ängstlich an seinen Ärmel. Die Möbel standen alle noch an ihrem Platz: Bett, Spiegel, Beistelltische, Kommoden. Im Strahl der Lampe warfen sie unheimliche Schatten. Littlemore legte das Ohr an die Wand, klopfte sie mit der Faust ab und lauschte gespannt. Ein paar Schritte weiter wiederholte er die ganze Prozedur.
    »Was machst du denn da?«, wisperte Betty.
    Littlemore schnippte mit den Fingern. »Der Kamin. Der Lehm war doch beim Kamin.«
    Nachdem er das Kamingitter beiseitegestellt hatte, legte er sich vor dem Kamin auf den Boden. Mit der Lampe leuchtete er in den Schornstein hinauf. An der hinteren Kaminwand erkannte Littlemore Ziegel, Mörtel – und drei ziemlich kleine Öffnungen, die im Dreieck angeordnet waren. Das oberste Loch war kreisrund.
    »Das ist es«, sagte der Detective. »Das muss es sein. Aber wie ist er …?«
    Mit seiner Lampe leuchtete Littlemore auf das Kaminbesteck, das neben der Feuerstelle hing, und fand einen dreizackigen Schürhaken. Zwei der Zinken waren spitz, die andere war rund. Zusammen bildeten die drei Enden ein Dreieck. Littlemore sprang auf. Er packte den Schürhaken und stocherte damit nach hinten in den Kamin. Als er die drei Öffnungen fand, passten die drei Zacken so genau hinein, als wären sie dafür gemacht worden – was ohne Zweifel auch der Fall war. Unmittelbar darauf schwang die ganze Feuerstelle auf unsichtbaren Scharnieren nach außen, und Littlemore blies eine starke Brise ins Gesicht.
    »Sieh mal einer an.« Drinnen zogen sich kleine blaue Flammen an den Wänden entlang. »Hab ich so was nicht erst vor Kurzem gesehen? Komm, Betty.«
    Betty nahm Littlemores Hand, und sie schlüpften in den Durchgang. Als sie an einem großen, quadratischen Eisengitter vorbeikamen, legte der Detective ein Ohr daran und forderte Betty auf, seinem Beispiel zu folgen. Aus weiter Ferne hörten sie das jaulende Geräusch, das Betty solche Angst eingejagt hatte.
    »Ein Luftschacht«, erklärte Littlemore. »Ein Luftumwälzungssystem. Es muss eine Pumpe geben. Wenn sich die Pumpe einschaltet, entsteht dieses Geräusch. Wenn sie sich ausschaltet, hört es wieder auf.« Fast hundert Meter weit folgten sie der Passage. Dabei kamen sie an einem halben Dutzend ähnlicher Gitter vorbei und bogen um drei oder vier scharfe Ecken. Bettys Fingernägel gruben sich in Littlemores Arm. Schließlich gelangten sie ans Ende des Gangs. Eine Mauer verstellte ihnen den Weg, doch an dieser Mauer blinkte unter einer letzten blauen Gasflamme eine kleine Metallplatte. Littlemore drückte auf die Platte, und die Mauer drehte sich nach außen.
    Im Licht der elektrischen Lampe erblickten

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