Mordloch
entschuldigte sich für das unangekündigte Erscheinen. Hellbeiner schien jedoch mit einem solchen Besuch gerechnet zu haben. Er bot den beiden Kriminalisten Platz auf unbequemen Stühlen an und eilte erstaunlich schnell zu einer Nebentür, um sie zu schließen. Dann ließ er sich wieder schwer atmend in seinen Bürosessel sinken.
»Nur ein paar Fragen zur Situation in Waldhausen«, begann Häberle. »Sie als Ortschaftsrat sind sicher ein profunder Kenner des Geschehens.« Hellbeiner lächelte und schien geschmeichelt zu sein. »Der Ortsvorsteher ist bekanntermaßen in die Schusslinie geraten, deshalb interessiert uns die Meinung eines, na, sagen wir mal, neutralen Bürgers.«
Hellbeiner kratzte sich mit der Rückseite eines Kugelschreibers hinterm linken Ohr. »Ich werde versuchen, Ihnen zu helfen.«
»Uns würde interessieren, wie die Verhältnisse in dem kleinen Ort sind, die familiären, die gesellschaftlichen – und was man so munkelt«, wieder lächelte Häberle vertrauenserweckend. Linkohr zog seinen Notizblock aus der Tasche.
»Dass Wühler Gegenwind zu spüren bekommen hat, ist allein schon am Ergebnis der jüngsten Kommunalwahl zu erkennen«, begann der Finanzbeamte, »es hat ziemlichen Aufruhr gegeben wegen des Schweinestalls, aber das dürfte Ihnen bekannt sein. Wenn Sie mich jetzt fragen, was der Flemming für einer war, muss ich passen. Er hat sich an die Spitze der Schweinestall-Gegner gesetzt und ist in letzter Zeit ein bisschen, wie ich finde, übers Ziel hinausgeschossen.« Hellbeiner berichtete von der Ortschaftsratssitzung, in der Flemming mit emotionellen Zwischenrufen aufgefallen war. »Das Dilemma bei uns oben ist doch, dass immer mehr Auswärtige hier bauen und die einheimische Bevölkerung, die Bauern, zurückgedrängt werden.«
»Sie sind auch zugezogen?« wollte Häberle vorsichtig wissen.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, meine Eltern hatten eine Landwirtschaft, aber ich hab’ mich für etwas anderes interessiert.« Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht. Für verstaubte Akten, dachte Häberle bei sich. Für strohtrockene Materie, um dem ehrlich schaffenden Bürger die letzten Cents aus der Tasche zu ziehen, als Handlanger der staatlich sanktionierten Abzockerei, hätte der Kommissar jetzt laut hinausschreien können. Er musste sich auf das Thema konzentrieren: »Bleiben wir bei Flemming. Welchen Umgang pflegte er?« Das Telefon schlug an, doch Hellbeiner griff nicht danach.
»Ich kann Ihnen nur sagen, was ich vom Hörensagen weiß«, der Finanzbeamte senkte seine Stimme, als ob er in Sorge sei, fremde Ohren könnten mithören. Er rückte näher an den Schreibtisch heran, auf dem er sich mit dem linken Ellbogen abstützte. »Aber das muss unter uns bleiben, vertraulich.« Und er ergänzte: »Unter uns Beamten.« Häberle nickte und schaute ihm fest in die Augen. Versprochen.
»Es heißt, die Geschäfte der Flemmings seien nicht sauber. Irgendetwas mit Türken, die angeblich einen Schwindel mit Teppichen betreiben. Mehr kann ich allerdings nicht sagen. Man hört es gerüchteweise, es wird am Stammtisch drüber geredet – aber keiner weiß etwas Genaues.«
»Frau Flemming ist Türkin«, zeigte sich Häberle informiert, während das Telefon wieder verstummte.
Hellbeiner nickte. »Ja, das ist ein offenes Geheimnis. Sie hat ihre Haare auffällig blond gefärbt, um ihre Herkunft zu verbergen – warum auch immer.«
»Es muss also Hintermänner geben?« hakte der Kommissar nach, während Linkohr mitschrieb.
»Es muss so sein«, meinte Hellbeiner, »wären die Geschäfte in der ›Roßhülbe‹ abgelaufen, hätte das innerhalb kürzester Zeit die gesamte Nachbarschaft bemerkt. Auf dem Dorf ist das so.«
»Hat man Hinweise, gibt es Anknüpfungspunkte?«
Der Finanzbeamte kniff die Lippen zusammen und überlegte. »Es heißt, es tauchten gelegentlich große Limousinen mit Heidenheimer Kennzeichen auf.«
»Details?«
Hellbeiner schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Wirklich nicht. Aber vielleicht sollten Sie etwas anderes wissen.« Er hielt wieder inne und schaute die beiden Kriminalisten an. Häberle ermunterte ihn mit einem Nicken, es auszusprechen.
»Die Flemming ist vielleicht gar nicht so unglücklich über den Tod ihres Markus«, berichtete Hellbeiner.
Die beiden Kriminalisten blickten ihn überrascht an.
»Ach«, entfuhr es Häberle.
»Ja«, fuhr der Finanzbeamte fort, dessen Glatze noch mehr zu glänzen begann, »seit langem wird gemunkelt, dass es da so etwas wie
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