Mordrausch
Haare bis zu den Schultern wachsen lassen, für viel Geld Lederjacke und -hose bei einem Harley-Treffen erstanden. Hatte sich einen Ring mit silbernem Totenschädel im Ohr zugelegt und einen Stahlring durch die Lippe gezogen. Sich eine Tätowierung auf dem Rücken machen lassen, über zwanzig Zentimeter breit, das Rad einer Maschine mit den Worten » Razzle-Dazzle «.
Wegen seiner Jugend hatte er sich einiges gefallen lassen müssen. Ein Typ hatte immer wieder davon geredet, Caprice in die Wüste zu bringen und ihn gemeinsam mit den anderen zu bumsen, um ihn einzureiten, wie er es ausdrückte. Obwohl der Kerl dabei gelacht hatte, war Caprice das Gefühl nicht losgeworden, dass er es ernst meinte, und hatte ihn umgebracht.
Er war mit einer Waffe zu ihm gefahren und hatte ihm, als er aufmachte, ins Herz geschossen. Als die Freundin des Mannes in der Küche zu schreien begonnen hatte, war er in die Nacht geflohen.
Niemand war ihm je auf die Spur gekommen. Doch er war ein Indie, unabhängig von Gangs, und jeder konnte einen Indie umfahren. Also hatte er sich die Judge zugelegt.
Von da an waren Leute, die ihn nervten, spurlos verschwunden und die Biker in seiner Gesellschaft vorsichtig geworden. Auch wenn niemand etwas Genaues wusste. Shooter Chapman, einem Landsmann aus Minnesota, war er bei einer Altherrenfahrt für Krebs-, Herz-, Nieren- oder sonst wie Kranke begegnet.
Als er alt genug gewesen war, um in eine Gang aufgenommen zu werden, hatte er all das nicht mehr gewollt: Gemeinschaft, Alkohol, Hierarchie, Regeln. Er war lieber allein gewesen, weil er gut damit zurechtkam. Nach dem Mord an dem Mann mit der BMW hatte er seine Harley entsorgt. Die deutsche Maschine hatte ihn noch stärker von den Rocker-Gangs entfremdet.
Dann hatte er sich eines Tages im Spiegel eines Burger King angeschaut und ein Stück gelben Käse an seinem Lippenring entdeckt.
Was für ein Clown ich bin!, hatte er gedacht.
Er hatte seine teure Lederkluft gegen eine Jacke aus den Fünfzigern getauscht, die er in Hollywood entdeckte, schwarzes Leder, so alt und abgewetzt, dass es braun aussah. Dann hatte er den Ohr- und Lippenring herausgenommen und sich den Schädel geschoren. Sich eine Militärbrille mit runden Gläsern und olivfarbenen Leinenriemen aus der Zeit des Vietnamkriegs besorgt, die ihm Ähnlichkeit mit einem Frosch verlieh. Der Look hatte ihm gefallen.
Jetzt war die Sache so klar, dass alle verstummten, wenn er eine Rocker-Kneipe betrat. Sie wussten, dass er »da draußen« war, an dem Ort, an den sie immer wollten, den sie jedoch nie erreichten. Auch das gefiel ihm.
Wie damals, als ein paar Angels von San Bernardino nach L.A. gekommen waren, Waschlappen auf Harleys, Graubärte mit fetten alten Weibern. Er war einhändig durch das Rudel gerast wie ein Marschflugkörper. Die Szene hatte er vor seinem geistigen Auge unzählige Male wiederholt …
Als der Dachdeckerbetrieb zusammen mit der übrigen Wirtschaft den Bach runtergegangen war und man Skelette in der Mojave-Wüste entdeckt hatte, über die die Zeitungen berichteten, war Cappy nach Minnesota zurückgekehrt und hatte Shooter ausfindig gemacht.
Shooter hatte ihn den Leuten im Cherries vorgestellt und ihm einen Job, Kistenschleppen bei UPS, beschafft. Ein guter Rhythmus: die ganze Nacht arbeiten, dann volle zwölf Stunden saufen und Motorrad fahren, vier Stunden schlafen und anschließend, mit Hilfe von Methamphetamin, die nächste Schicht.
Und bei alledem hatte Cappy es nie geschafft …
… mit einer Frau ins Bett zu gehen.
In der Theorie wusste er, wie es funktionierte; er hatte es sogar schon gesehen, live und in Farbe auf einem Tisch in der Dome Bar in Bakersfield, zwischen Flaschen mit Heinz-Ketchup und Besteck. Schön war das nicht gewesen, aber interessant.
Barakat fuhr mit ihm zu einer Kneipe mit dem hübschen Namen »Trouble« auf der westlichen Seite von Minneapolis, draußen am Highway 55. Cappy war zittrig vom Kokain und vor Angst. Barakat schob sich durch die dichte Menschenmenge in dem Raum mit schwarzem Licht und Messingstangen und winkte drei Frauen namens Star, Michellay und Jamilayah heran. Sie sagten etwas von Geld, doch als Barakat ihnen den Beutel mit Kokain zeigte, wurden sie sich schnell handelseinig und gingen auf die andere Seite der Straße ins Shangri-La-Motel, wo die drei Damen in benachbarten Zimmern logierten.
Star und Jamilayah, die eine weiß, die andere schwarz, warfen sich Barakat an den Hals, und Michellay, eine dünne Blondine
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