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Mordsgefluester

Mordsgefluester

Titel: Mordsgefluester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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zusammen, was wenig ratsam ist, während man mit einer spitzen Schere auf eine frisch verheilte Wunde zielt. Ich schoss ihm über den Spiegel einen finsteren Blick zu und neigte dann den Kopf, damit ich besser sehen konnte, wo sich der nächste Stich befand.
    »O Mann«, murmelte er und stellte sich neben mich. »Hör auf, bevor du dich mit dem Ding massakrierst. Ich würde dich ja fragen, was du da tust, aber was du tust, sehe ich wohl, ich begreife nur nicht, warum du es tust. Solltest du das nicht von einem Arzt vornehmen lassen?«
    Ich nickte und zielte mit der Schere auf den nächsten Stich.
    Er schloss seine Hand über meiner. »Gib mir die. O Gott. Ich übernehme das.«
    Ich überließ ihm die Schere, schüttelte aber schmunzelnd den Kopf.
    »Du glaubst, ich könnte das nicht?« Er fühlte sich sofort provoziert.
    Da ich hundertprozentig sicher war, dass er es nicht konnte, schüttelte ich den Kopf.
    Ein, zwei Sekunden später ging ihm ein Licht auf, als er erkannte, dass seine großen Finger unmöglich in die kleinen Löcher des Scherengriffes passten. Frustriert starrte er die Schere an, bis ich sie ihm triumphierend abnahm und mich von Neuem an die Arbeit machte. Okay, es war ein winziger Triumph. Trotzdem war es ein gutes Gefühl. Ich hatte in letzter Zeit wenig Grund zum Triumphieren gehabt, das Gefühl hatte mir gefehlt.
    Also kappte ich die Nähte, während er mit der Pinzette behutsam die Fäden herauszog. Hie und da bildeten sich winzige Blutströpfchen, die ich aber mit einem antiseptischen Tuch, das ich aus dem Notfallkoffer nahm, wegtupfte. Sie bildeten sich nicht wieder neu, damit war der Fall erledigt. Zuletzt löste ich den Haargummi ab, mit dem ich meine Haare zurückgehalten hatte, ließ die Welle wieder nach vorn fallen und strahlte Wyatt an.
    »Alles, was recht ist«, brummte er, bevor er sich in einen Polizisten zurückverwandelte und der Reihe nach die Türen aller freien Kabinen öffnete, bis er alle sechs Kabinen inspiziert hatte. Ich schätze, er konnte einfach nicht anders.
    Wir schlossen pünktlich um neun, und JoAnn blieb noch da, um sich zeigen zu lassen, wie das Studio abends gesichert wurde. Mit ihrer Hilfe ging es wesentlich schneller, und so waren wir um zwanzig nach neun fertig. Wyatt machte noch einen Rundgang ums Haus, ehe wir losfuhren.
    Auch an diesem Abend fuhr ich absichtlich Umwege, während Wyatt mir folgte. Aber diesmal fuhr ich nicht heim, schoss es mir wehmütig durch den Kopf. Ich würde nie wieder dorthin fahren, oder zumindest würde ich nie wieder dorthin nach Hause fahren. Natürlich müsste ich mir die Ruinen ansehen, das verlangte etwas in mir. Ich schätze, es lässt sich damit vergleichen, dass man bei einer Bestattung einen letzten Blick auf den Toten wirft, um eine letzte Erinnerung zu schaffen, einen Abschluss zu finden. Man sollte meinen, das menschliche Gehirn würde den Tod begreifen und es dabei bewenden lassen, aber nein, wir müssen die Toten ein letztes Mal ansehen und die Lebenserinnerung durch eine Todeserinnerung ersetzen. Oder so in etwa.
    Falls Wyatt und ich heirateten, würde sein Haus von jenem Tag an zu meinem Heim werden. Falls wir nicht heirateten, musste ich das so bald wie möglich wissen, damit ich mich anderweitig orientieren konnte. Sobald ich wieder sprechen konnte, müssten wir uns ernsthaft unterhalten.
    Verflucht, ich musste einen Zahn zulegen! Falls wir doch heirateten, dann in zweiundzwanzig Tagen. Gerade mal drei Wochen! Ich hatte noch nicht einmal den Stoff für mein Hochzeitskleid ausgesucht! Außerdem musste ich erst noch mit Monica Stevens reden und mit Sally, ich musste Jazz und Sally wieder zusammenbringen, und ich musste irgendwie mein verbranntes Zeug ersetzen – mir blieb schlicht nicht genug Zeit!
    Wenn ich einen freundschaftlichen Rat geben darf, dann würde ich niemandem empfehlen, eine Hochzeit zu planen, während ihm oder ihr ein mordlustiger Stalker nachstellt. Das verkompliziert die Sache ungemein.
    Wyatt hatte mir kurz erklärt, wie sich ein Verfolger abhängen lässt, darum bog er ab, bevor wir einen zuvor vereinbarten Treffpunkt erreicht hatten, und ließ mich allein. Das plötzliche Gefühl, verletzlich zu sein, beschleunigte meinen Puls spürbar, doch ich konnte im Rückspiegel keine verdächtigen Fahrzeuge entdecken, will sagen, keinen weißen Chevrolet. Natürlich bedeutete das nicht, dass ich außer Gefahr war, da andere Autos hinter mir herfuhren. Vielleicht hatte sie den Wagen gewechselt und saß

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