Mordsmäßig fit
Das so bequeme Leben - Ehemann, Haus, Kind - war langweilig. Wenn sie zusammen blieben, nichts tranken oder aßen, konnten sie sich gefahrlos bei dem Gedanken amüsieren, daß um sie herum Gefahr lauerte. Das war spannender, als aus dem Club auszutreten. Taten sie das Richtige? Sie konnte diesen Gedanken nicht loswerden. Irgendwas nahm von ihrem Unterbewußtsein Besitz. Requisiten fanden ihren Ort, Schauspieler nahmen ihren Platz ein... Aberweiche Botschaft steckte dahinter?
Training war nicht angesagt, und sie hatte keine Lust, den ganzen Abend über Kürzungen nachzugrübeln. Es schneite wieder. Die ersten Flocken waren so groß wie Frisbeescheiben. Die beste Nacht, sich unter der Decke zu verkriechen. Der Honda schleuderte. Ihr Magen drehte sich um. Mr. Harnish, der wiedergeborene Oberhausmeister, hatte schon den Bürgersteig freigeschaufelt. Während eines Sturms im letzten Jahr hatte sie ihn achtmal schaufeln sehen. Das war ein Ober-Obermeister! Nach dem Abendbrot duschte sie lange und heiß. Sie trocknete sich ab, zog ihren Bademantel an. Fertig für den Schaukelstuhl. Sie zog die Decke über ihre Beine, drehte das Radio leise, suchte sich einen Sender mit leichter Musik. Sie wollte nachdenken. Sie ließ ihren Gedanken ihren Lauf: der heutige Tag, die Tage davor, die Toten, ihre Gefühle. Was verbarg sich in ihrem Unterbewußtsein. Sie dachte an Hector - einst leidenschaftlich, jetzt verärgert -, fordernd, ihr vorschreibend, was sie tun sollte. Hector hatte gemordet, um seinen Willen zu kriegen, sie zu kriegen. War das wahr? Er hatte soviel zu verlieren! Er behauptete, sie zu lieben. Wie weit würde er tatsächlich gehen? Und er ließ sich von seiner Frau scheiden. Vor Dawn hätte er diesen Schritt nicht getan. Er hatte gesagt, als erster, die Ertrunkenen seien Mordopfer. Was aber, wenn er unschuldig war? Wer dann?
Sie drehte und wendete es. Wie ein Kind, das sich die Farbenpracht einer Murmel in seiner Hand ansieht. Wenn der Mord am Reporter nicht die Tat irgendeines Irren war, der sich wegen der anderen Tragödien mit einer Flasche Gift zum Club hingezogen gefühlt hatte, so lag das eigentliche Opfer des Mörders offen: der Club. Wollte jemand ihn ganz einfach zerstören, oder... was?
Als sie eine halbe Stunde später eine Antwort fand, schrie sie auf. Natürlich! Welch besseren Weg gab es denn, um den Wert von SHAPE zu verringern, als die Mitglieder zu vertreiben. Niedrige Besucherzahlen hießen weniger Einkommen. Und das hieß: Bankrott, finanzieller Ruin. Was dann? Neue Besitzer, selbstverständlich. Die Toten würden langsam vergessen werden. Die Profite würden größer und größer, und die finsteren Erinnerungen würden verblassen. Warum hatte sie so lange gebraucht, um zu erkennen, daß jemand einen riesigen Gewinn machte, falls Peter und Dawn zu einem lächerlichen Preis verkauften? Warum also konnte Sam nicht der Mörder sein?
Sie erwog die Möglichkeit. In den zwei Jahren ihres Zusammenseins hatte er bewiesen, wie labil er war. Sicherlich brachten Drogen seine angeschlagene Persönlichkeit nicht hundertprozentig ins Gleichgewicht. Falls er der Mörder war, falls sie und Peter nicht an Healthways verkauften, würde er wieder zuschlagen? Das führte zum totalen Mitgliederschwund und wahrscheinlich zu bewaffneter Polizei in allen Räumen. Dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis das Unternehmen katastrophenartig in den Untergang rauschte. Die ganze Nacht, während es draußen schneite, wälzte sie sich im Bett hin und her. Die Nacht schien ohne Ende, jetzt, wo Dringlichkeit und Unsicherheit gleich groß waren. Weder sie noch SHAPE konnten Polizeiaktionen akzeptieren, so lange bis Sam - oder war es Hector? - wieder mordeten. O Gott! Sie war sich nicht sicher. Jedervon beiden konnte der Schuldige sein. Nein. Es war Sam!
Sie stand auf, lief in der kühlen Wohnung auf und ab. Sie zog einen Vorhang zur Seite. Die Welt ein einzigerweißer Wirbel. Nordost. Super. Sie blickte auf die Uhr. Wartete auf die Morgenstunden. Dann konnte sie zur Polizei gehen. Detective Morgan sagen, sie habe ihre Meinung geändert. Sam Springs war derjenige, den die Polizei aufs Korn nehmen solle. Nicht Hector Sturm. Von Zeit und Zeit schaute sie nach draußen -immer noch schlimm. Zwei Sorgen, die zu einer wurden, trieben sie in die Enge: Sie mußte so schnell wie möglich Detective Morgan erreichen. Sie benahm sich lächerlich, schnappte über. Aber es war zu viel passiert.
Zu viel drohte noch zu geschehen. Sie konnte
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