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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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Frau damit zu beschwichtigen versucht hatte, dass Anja als Zweitgereihte unter allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Österreich doch einen ganz wunderbaren Erfolg gehabt habe.
    Jetzt jedenfalls wollte sie diesen Mann, den sie heute wieder als unangenehm autoritär empfand, so schnell wie möglich loswerden. Und es war nur eine Folge seines Auftretens, dass sie ihm nichts Konkreteres zusagte als eine rasche Entscheidung. Obwohl sie diese für sich längst getroffen hatte, falls Birgit wirklich nicht bald zurückkommen sollte. Die Professorin konnte nicht anders, als ihm zu sagen, was er partout nicht hören wollte: »Gehen Siebitte davon aus, dass Birgit rechtzeitig wieder da sein wird, um wie vorgesehen in Vilnius teilzunehmen.«
    Sofort blaffte der Mann sie rüde an, dass davon überhaupt nicht auszugehen sei, dass das Kind bald wieder auftauchen werde. »Vielleicht überhaupt nie mehr. Was weiß man denn schon, heutzutage, wo kriminelle Ausländer umhätschelt werden, in diesem Land, in dem Einheimische nichts mehr zählen!« Nein, er gehe jede Wette ein, dass Birgit Aberger ausfallen werde. »Und eines sage ich Ihnen: Wenn Sie Anjas Vorbereitung mutwillig hinauszögern, nur weil Ihnen ihr Vater politisch nicht in den Kram passt, wird das für Sie Konsequenzen haben. Dann waren Sie die längste Zeit hier im Haus, darauf können Sie Gift nehmen! Wir sind nämlich noch lange nicht am Ende, auch wenn Sie das vielleicht glauben wollen.«
    Er starrte Vera eine Zeitlang an, bevor er in versöhnlicherem Ton sagte, dass seine Tochter der Frau Professor Stelzmann jedenfalls ab morgen ohne zeitliche Einschränkungen zur Verfügung stehen werde. Und auch das, was er zu den Kosten gesagt habe, gelte. »Was das Finanzielle anlangt, lasse ich auch darüber hinaus jederzeit mit mir reden.«
    Als der Mann draußen war, fragte sich Vera, woher er denn jetzt schon wissen mochte, dass Birgit verschwunden war – der Polizeibeamte hatte ihr doch gerade erst gesagt, dass man heute Abend im Lokalfernsehen den ersten Aufruf starten werde, wenn Birgit bis dahin nicht daheim sein sollte. Vor allem aber – wie konnte er so felsenfest davon überzeugt sein, dass Birgit nicht rechtzeitig wiederkommen werde? Vera Stelzmann, noch immer erregt von der Zumutung, die dieser Mensch für sie darstellte, nahm die Visitenkarte, die der Polizeibeamte mit der Bitte zurückgelassen hatte, ihn unbedingt alles wissen zu lassen, was ihrzum Verschwinden des Kindes noch ein- oder auffalle, und griff zum Telefon.
    »Und in einem fort diese Heulerei, das hält doch kein Mensch aus! Bub, du bist einfach … unfähig, deine Mama muss sich damit abfinden! Du wirst niemals … nein, ich muss jetzt mit deiner Mama reden, es hilft nichts. Es hat keinen Sinn mehr, es noch länger zu versuchen. So etwas lässt sich nicht erzwingen – entweder man hat das Talent oder nicht. Ist doch wirklich nicht so schlimm, wenn … Warum setzt sie sich denn gerade das in den Kopf, mein Gott!«
    Bub … warum sagte er denn auf einmal Bub? Birgit war verwirrt. Am meisten aber beanspruchte sie das, was sie in dem auf Hochglanz polierten Holz des Petrof-Pianinos sah: Ein Mensch saß in einer Mönchskutte auf einem Stuhl an der anderen Wand des Zimmers, der Kopf in einer Kapuze mit hoher Spitze. Der Mann saß jetzt mit leicht vorgebeugtem Oberkörper so da, als wollte er jeden Moment aufspringen, die Hände hatte er auf seine Knie gestützt – und diese Hände trugen helle Gummihandschuhe. Die gleichen milchig-weißen Latexhandschuhe, wie sie ihre Mutter einmal aus dem Supermarkt mitgebracht hatte. Und wie sie auch ihre Zahnärztin zu tragen pflegte. Und neben diesem Kuttenmenschen sah das Mädchen einen Hackstock, wie ihn sein Opa im Pinzgau besaß. Und im Hackstock eine Hacke! Jetzt im Sommer, schoss Birgit durch den Kopf … wollte er sie so lange festhalten, bis eingeheizt werden musste … oder würde er, wenn sie den Versuch machte, sich zu wehren, gleich nach dieser Hacke greifen … Lieber Gott, hilf mir! Bitte, bitte! Mutti, Papa! Bitte! So helft mir doch! Bitte kommt doch endlich!
    Birgit nahm all ihren Mut zusammen und fragte mit tränenerstickter Stimme: »Soll ich … soll ich weiterspielen?«
    »Was?« kreischte die hohe Stimme sofort. »Du willst allen Ernstes … weiterspielen? Ja, was … wie schätzt du dich denn ein, Bub, du … du bist ein Totalversager! Es ist hoffnungslos, begreifst du das denn nicht? Was immer deine Mama mit dir vorhat, sie muss sich das ein

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