Mordswald - Hamburgkrimi
Ihrem
Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch?"
Jensen schüttelte den Kopf.
"Herr Jensen, bitte sprechen Sie ins Mikrofon.
Kopfbewegungen können wir leider nicht aufzeichnen." Max klang ruhig und
höflich wie immer.
"Nein, ich hab nichts zu verbergen."
"Kannten Sie Philip Birkner?" Dabei schob er ein
Bild des Toten über den Tisch, auf das Jensen nur einen flüchtigen Blick warf.
"Ja. Er war mal mein Chef."
"Wann?"
"Fünf Jahre lang, von 2004 bis 2009."
"Was geschah dann?"
"Er musste mit seiner Firma Inoware Insolvenz anmelden und alle
Mitarbeiter entlassen."
"Bei der Vernehmung in Ihrem Haus sagten Sie, Philip Birkner
hätte Sie ruiniert. Bleiben Sie bei dieser Aussage?"
Jensen nickte. "Ja."
"Erklären Sie bitte, wie Sie zu dieser Einschätzung
kommen", sagte Max sachlich.
Frank Jensen holte tief Luft. "Philip Birkner hat mich
eingestellt, als er seinen Laden neu aufgemacht hat. Ich bin Programmierer,
genau wie Philip. Am Anfang haben wir noch zusammen an der Software
geschrieben, aber später hat er sich vor allem um die Kunden und die Akquise
gekümmert. Er hat … hatte einfach ein Gespür dafür, wie er die Menschen um den
Finger wickeln konnte." Die Firma wuchs, Philip stellte weitere
Mitarbeiter ein, die Aufträge kamen regelmäßiger und wurden umfangreicher. Etwa
ein Jahr vor der Pleite zog Birkner einen Riesenauftrag an Land. Wesseling
& Kröger, ein mittelständisches Unternehmen aus der Metallverarbeitung, mit
Niederlassungen in Indien und Irland und mehr als fünfhundert Mitarbeitern,
wollte von Inoware ein neues maßgeschneidertes Softwarepaket zur internen Kommunikation und
Datenverwaltung haben, das absolut sicher gegen Angriffe von außen sein sollte.
"Natürlich", erklärte Frank Jensen, "gibt es keine absolute
Sicherheit, die beste Software ist in Windeseile veraltet, die Hacker schlafen
schließlich nicht. Aber das hat Philip den Leuten natürlich nicht erzählt, sondern
getan, als sei das alles kein Problem." Frank Jensen hatte nicht nur das
Konzept entwickelt, sondern auch die Programme größtenteils selbst geschrieben.
Schließlich war man so weit, dass die neue Software installiert werden konnte.
Und sie lief. Lief sogar sehr gut. Der Aufraggeber war begeistert, Philip
Birkner ebenso. Frank Jensen bekam einen Bonus und eine dicke Gehaltserhöhung,
nachdem er Birkner anvertraut hatte, dass schon öfter Headhunter versucht
hatten, ihn abzuwerben. Doch er ließ sich von seinem Chef überreden, zumindest
noch eine Weile zu bleiben.
Frank Jensen stellte den leeren Kaffeebecher ab und rieb sich
die Stirn. "Könnte ich vielleicht etwas Wasser und eine Aspirin
bekommen?", bat er. Lina holte ihm eine frische Flasche Wasser aus dem Automaten
im Flur und kramte eine Tablette aus ihrer Schublade. Als sie zurückkam, hatte
Jensen auch die zweite Brötchenhälfte verdrückt.
"Danke", sagte er, nachdem er die Tablette mit
einem Schluck Wasser heruntergespült hatte. Seine Augen waren nicht länger
blutunterlaufen, sondern nur noch klein und müde. Eine fettige Haarsträhne fiel
ihm in die Stirn, die Haut war fleckig.
"Und wie hat Philip Birkner Sie hereingelegt?",
fragte Max schließlich, um Frank Jensen wieder auf das Thema zurückzubringen.
Jensen zuckte die Achseln. "Die Software für Wesseling
& Kröger wurde gehackt, und dafür hat er mir die Schuld gegeben. Aber ich
war's nicht, echt nicht. Ich hatte überhaupt keine Ahnung. Kurz nach dem
fünfjährigen Jubiläum ging es los, das weiß ich noch genau. Großer Empfang im
Hotel Steigenberger, mehr als einhundert Gäste, Riesenbüfett, eigene
Cocktailbar … Der Präsident der IHK hat ein Grußwort gesprochen. Es hieß,
Philip Birkner sollte zum erfolgreichsten Jungunternehmer der Stadt gekürt
werden." Frank Jensen trank etwas Wasser direkt aus der Flasche.
"Philip lief tagelang in Hochstimmung herum. War'n ein paar schöne
Tage." Er nahm noch einen Schluck Wasser, dann wischte er sich den Mund
mit der Hand ab.
"Kurz nach der Party wurde das System des Kunden gehackt.
Das allein war schon schlimm genug, immerhin hatten Wesseling & Kröger viel
Geld dafür bezahlt, damit genau so etwas nicht vorkommt. Aber es kam noch
schlimmer. Die Hacker hatten es offensichtlich auf die Daten für ein neues
Produkt abgesehen, das kurz vor der Patentierung stand. Kurz darauf meldete
nämlich eine Konkurrenzfirma von Wesseling & Kröger ein Produkt zum Patent
an, und das war einem Prototyp, den Wesseling & Kröger in jahrelanger
Arbeit entwickelt hatten,
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