Mordswald - Hamburgkrimi
"Ich war seine rechte Hand."
"Ach, Sie haben bei Inoware gearbeitet?"
Tanja Fischer nickte und blickte schweigend aus dem Fenster.
"Waren Sie bis zum Schluss dabei, bis die Firma
Insolvenz angemeldet hat, oder haben Sie vorher gekündigt?"
Eine ganze Weile regte sich die Frau nicht, ehe sie langsam
den Kopf schüttelte. "Ich bin geblieben, obwohl es echt hart war, nachdem
er was mit der anderen angefangen hatte. Katja Sowieso, Unternehmensberaterin,
aber vermutlich kennen Sie die ja schon. Zuerst dachte ich, dass das nicht
lange dauern würde zwischen den beiden, diese Frau ist ja kalt wie ein Fisch.
Erst als Philip mir sagte, dass seine Freundin schwanger ist, habe ich mich
nach einem anderen Job umgesehen - aber die Insolvenz war schneller." Sie
lächelte schief, dann sah sie Lina direkt in die Augen. "Wissen Sie schon,
wer ihn umgebracht hat?"
"Nein. Wir stehen noch ziemlich am Anfang der
Ermittlungen." Lina beobachtete die Frau aufmerksam. Diese blauen Augen
waren wirklich bemerkenswert, strahlend, schon fast grell, wie ein
Sommerhimmel. Oder wie Kontaktlinsen.
"Dann sollten Sie sich mal mit Frank Jensen
unterhalten", sagte Tanja Fischer.
Lina legte den Kopf schräg. "Warum?"
"Weil Philip den Mann hochkant rausgeschmissen und ihm
ein miserables Zeugnis ausgestellt hat. Er war der Meinung, Frank sei Schuld an
der Insolvenz." Lina verriet der Frau nicht, dass sie längst mit Frank
Jensen geredet hatten. "Frank ist seit damals arbeitslos, und das nimmt er
Philip persönlich übel."
Lina musterte die Frau, die ihr gegenübersaß. Sie wirkte
intelligent und selbstbewusst, als ließe sie sich nicht so leicht ein X für ein
U vormachen. "Aber Sie glauben nicht, dass Herr Jensen etwas damit zu tun
hatte?"
Tanja Fischer schüttelte den Kopf. "Nie im Leben. Ich
meine, von der technischen Seite hab ich ja keine Ahnung, aber das soll ja wohl
ziemlich simpel gewesen sein, eher so eine Art Flüchtigkeitsfehler. Aber Frank
ist einfach nicht der Typ für so was. Ich meine, der ist so was von brav und
bieder …" Sie schüttelte erneut den Kopf.
"Haben Sie jemals mit Herrn Birkner darüber gesprochen?"
"Nein. Zu der Zeit gingen wir uns, so gut es ging, aus
dem Weg. Er war gerade Vater geworden, und drei, vier Wochen später brach die
Katastrophe über ihn herein." Sie errötete leicht. "Ehrlich gesagt,
habe ich es ihm am Anfang gegönnt, dass er so einen Dämpfer verpasst bekam.
Weil er mich wegen dieser Katja Ansmann … genau, Ansmann hieß sie, also, weil
er mich wegen der so einfach fallen gelassen hatte." Sie hob die
Schultern. "Klar, zuerst war ich verletzt, aber dann kam die Wut, und etwa
zur gleichen Zeit wurden dieses Datenleck und der Datenklau und der
Patentdiebstahl publik. Ganz ehrlich, ich hab mich gefreut."
Lina konnte ihr das nicht verdenken. Rache war süß, und wenn
dann noch das Schicksal eingriff und sich auf die Seite der Armen und Verstoßenen
stellte … "Und wie kam es dazu, dass Sie und Herr Birkner dann doch wieder
was miteinander angefangen haben?"
Tanja Fischer lachte bitter. "Philip fehlte der Sex, so
einfach war das." Dann wurde sie still und senkte den Kopf. "Etwa ein
halbes bis dreiviertel Jahr nach der Insolvenz rief er mich an. Er bat mich um
ein Treffen. Ich zögerte zunächst, aber schließlich willigte ich doch
ein." Sie seufzte und blickte auf. "Sie haben ihn ja nicht gekannt,
aber ich schwöre Ihnen, wenn er es darauf angelegt hat, hat Philip immer
bekommen, was er wollte. Er konnte einen um den Finger wickeln, bis man ganz
hin und weg war." Sie seufzte noch einmal. "Er sagte mir, wie sehr er
mich vermisste, wie oft er an mich denken und von mir träumen würde … das Übliche
eben, aber bei ihm klang es … irgendwie einzigartig. Er machte mir Komplimente,
er roch gut, er führte mich zum Essen aus. Er gab mir das Gefühl, schön und
begehrenswert zu sein, etwas ganz Besonderes." Tanja Fischer wischte sich
die Tränen aus den Augen. "Ich wusste, dass er vor allem auf Sex aus war.
Er hatte mir erzählt, dass mit dieser Katja nichts lief, aber dass er sie wegen
des Kindes nicht verlassen würde, jedenfalls vorerst nicht. Er war ehrlich und
machte mir zugleich Hoffnungen, die er vermutlich nie erfüllt hätte. Und ich
ließ mich darauf ein." Sie holte tief Luft. "Danach haben wir uns
ein-, zweimal in der Woche gesehen. Er hat mich besucht, oder wir haben uns
irgendwo getroffen und sind anschließend zu mir gegangen. Seine Wohnung war
natürlich tabu, ebenso wie Gespräche über
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