Mordswald - Hamburgkrimi
Jetzt waren alle damit beschäftigt, Freunde und
Bekannte anzurufen, die teilweise angaben, schon seit Jahren nichts mehr von
Franziska gehört zu haben. Ein Mann konnte sich nicht einmal mehr an den Namen
erinnern, bis Max ihm auf die Sprünge half und sagte, die Gesuchte sei Biologin
und möglicherweise politisch aktiv. Erst da macht es klick, und der Mann, der
hörbar desinteressiert klang, erklärte, er habe vor etwa fünf Jahren flüchtigen
Kontakt zu Franziska Leyhausen gehabt und seitdem nichts mehr von ihr gehört.
Er wundere sich, dass sie seine Nummer überhaupt aufbewahrt hatte.
Im Nummernspeicher des Festnetztelefons fand sich auch die
Nummer einer gewissen Barbara Schönbek, bei der es sich offenkundig um die
Freundin handelte, die am Donnerstag mit beim Konzert in der Waldschenke
gewesen war. Alex hatte sie gleich als Erstes angerufen, doch es hatte sich nur
der Anrufbeantworter einer Naturheilpraxis gemeldet. Er hatte eine Nachricht
samt Telefonnummer hinterlassen und um einen Rückruf gebeten. Als Barbara
Schönbek sich meldete, waren Alex und Sebastian gerade in der Cafeteria, also
nahm Lina den Anruf entgegen. Sie stellte sich vor und fragte ohne Umschweife,
ob Frau Schönbek wisse, wo sich Franziska Leyhausen zurzeit aufhielt.
"Nein, keine Ahnung. Ich weiß nur, dass sie heute Morgen
zur Polizei wollte … na ja, eher sollte." Die Frau sprach mit leiser
Stimme, und Lina hatte Mühe, sie zu verstehen. "Sie hat mir erzählt, was
gestern passiert ist. Dass sie im Wald mit jemandem aneinandergeraten
ist."
"Wann hat sie Ihnen das erzählt?"
"Gestern Abend. Sie rief mich an, gegen halb acht. Die
Ärmste war völlig durch den Wind, aber ich hatte einen dringenden Termin und
konnte mich nicht mit ihr treffen."
"Hat sie Ihnen auch erzählt, was hinter der Prügelei
gestern steckte?"
Barbara Schönbek zögerte. "Sie meinen diese Sache mit
Philip?" Als Lina nichts sagte, seufzte sie. "Sie hat mir Freitag
erzählt, dass sie spät abends mit diesem Mann, den wir beim Konzert getroffen
hatten, betrunken in den Wald gegangen ist, ihm einen Tritt verpasst und ihn
anschließend mehr oder weniger hilflos zurückgelassen hat. Als sie erfuhr, dass
man im Niendorfer Gehege einen Toten gefunden hat, war sie völlig fertig. Sie
gab sich die Schuld an dem, was passiert ist." Lina hörte, wie Barbara
Schönbek eine Tür öffnete, dann das leise Knarren von Holzdielen. "Ich
sagte ihr, sie solle zur Polizei gehen, aber sie wollte nicht. Sie hatte Angst,
man würde sie verhaften, redete sich aber damit heraus, dass es ja gar nicht
sicher sei, ob der Tote im Wald wirklich der Philip sei, den sie in der Kneipe
getroffen hatte." Sie zögerte erneut, dann fragte sie: "Und warum
suchen Sie sie jetzt? Ist sie heute Morgen nicht bei Ihnen gewesen?"
"Nein." Lina schloss die Augen. "Als sie
gestern mit Ihnen gesprochen hat, hat sie da vielleicht irgendwie angedeutet,
dass sie … verreisen wollte?"
Die Frau am anderen Ende der Leitung lachte kurz auf.
"Ob sie untertauchen wollte, meinen Sie? Nein, davon hat sie kein Wort
gesagt, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie verreist ist." In ihrer Stimme
schwang Besorgnis mit, doch Lina war sich nicht sicher, wie viel sie darauf
geben sollte. Immerhin war dies die Freundin einer Verdächtigen in einem
Mordfall, gut möglich also, dass Barbara Schönbek ihre Freundin deckte und der
Polizei ein Lügenmärchen auftischte.
"Können Sie mir die Namen von weiteren Freunden oder
Verwandten nennen, bei denen Frau Leyhausen sein könnte? Gibt es vielleicht
irgendwo ein Ferienhaus, das sie nutzen könnte? Wie sieht es mit Geschwistern
aus …"
"Die Familie können Sie vergessen, Franka hat so gut wie
keinen Kontakt zu ihnen. Vielleicht einmal im Jahr besucht sie ihre Eltern,
wenn's hoch kommt, ihren Bruder hat sie schon ewig nicht mehr gesehen." Es
rauschte im Hörer, als ob Barbara Schönbek Wasser in einen Wasserkocher füllen
würde. "An Ihrer Stelle würde ich es bei Daniel Vogler versuchen, ihrem
Exfreund, mit dem sie aber immer noch viel unternimmt. Vielleicht weiß der
was." Lina erwähnte nicht, dass sie bereits mit dem Mann gesprochen
hatten. "Dann vielleicht noch bei Marlies, bei Iris, Jens eventuell, ach
ja, und Michael. Franka kennt ziemlich viele Leute, aber von den meisten weiß
ich nur den Vornamen." Lina hatte sich die Namen bereits notiert, die
Nummern konnte sie später aus dem Adressbuch oder dem Telefon heraussuchen.
Nachdenklich tippte sie mit dem Stift auf den
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