Mordwoche (German Edition)
ab. „Ich muss nochmal schnell zum Salon König. Geh schon mal vor und sag den Kollegen, dass ich etwas später komme.“
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Der Kopfschmerz pochte in ihren Schläfen. Elfi richtete sich auf und musste einen Moment auf der Bettkante sitzen bleiben, weil ihr schwarz vor Augen wurde. Sie war es nicht gewohnt, Alkohol zu trinken und gestern hatte sie nach dem Begrüßungs-Sekt noch zwei Gläser Cognac geleert, ganz zu schweigen von der angebrochen Sektflasche, die sie sich mit nach oben genommen hatte. Auf ihrem Nachttischschränkchen stand noch der Teller mit einem letzten Lachsröllchen. Elfi musste sich abwenden; schon der Geruch verursachte ihr Übelkeit. Jetzt schnell unter die Dusche, dachte sie, dann würden ihre Lebensgeister schon wieder zurückkehren. Die Badezimmertür war allerdings geschlossen und Elfi hörte das Plätschern der Dusche. Karl war also bereits aufgestanden. Er musste im Arbeitszimmer übernachtet haben, denn sein Bett war unbenutzt, wie sie durch die geöffnete Schlafzimmertür erkennen konnte. Karl und Elfi Merz hatten schon seit über zehn Jahren getrennte Schlafzimmer. Karl war in das ehemalige Gästezimmer umgezogen und hatte seiner Frau das große Schlafzimmer überlassen. Anfangs ging es nur darum, den anderen nicht zu stören, wenn man lieber noch länger lesen wollte oder in der Nacht öfter mal raus musste. Mit der Zeit schätzten beide Ehepartner die getrennten Schlafzimmer auch deshalb, um sich noch mehr aus dem Weg zu gehen.
Karl würde mindestens noch eine Viertelstunde im Bad brauchen, das wusste Elfi aus jahrelanger Erfahrung. Sie war mit einem Schlag hellwach. Diese Zeit musste sie nutzen! Schnell warf sie sich ihren Morgenmantel über und stieg die Treppen hinab. Die Tür des Arbeitszimmers war angelehnt und Elfi betrat zögernd den Raum. Karl war im Bad, er konnte sie nicht sehen und trotzdem kam sie sich wie ein Eindringling in eine fremde Welt vor. Auf dem Sofa lagen Kissen und eine Wolldecke, hier hatte Karl geschlafen. Elfi sah sich um. Was wollte sie eigentlich hier? Glaubte sie, Hinweise darauf zu finden, wie ihr Mann auf ihr Geständnis reagiert hatte? Elfi setzte sich an den Schreibtisch, auf dem die gerahmten Fotos ihrer Kinder standen. Ein Bilderrahmen lag mit der Fotoseite nach unten auf der Arbeitsplatte. Elfi drehte es um. Es war ein Bild von Karl und ihr, das während ihres letzten Urlaubs auf dem Kreuzfahrtschiff entstanden war. Elfi legte das Bild hin und lehnte sich in dem bequemen Schreibtischsessel zurück.
Als sie gestern Abend an der Tür gelauscht hatte, glaubte sie gehört zu haben, dass Karl telefoniert hatte. Mit wem er wohl gesprochen hat? Immerhin war es Heilig Abend, eigentlich kein passender Zeitpunkt für Telefonate. Elfi nahm den Telefonhörer und drückte die Wahlwiederholung für die letzte gewählte Nummer. „ Buon Giorno . Sie sind verbunden mit dem Restaurant Venezia in Bärlingen. Wir haben vom 25. bis einschließlich 26. Dezember geschlossen. Ab dem 27. Dezember haben wir wieder für Sie geöffnet und freuen uns auf Ihren Besuch. Wir wünschen allen unseren Kunden Buon Natale .“
Warum hatte ihr Mann gestern Abend bei Adriano Felice angerufen? Wollte er sich etwa noch eine Pizza bestellen, nachdem das Festessen ausgefallen war? Elfi schaute auf dem Display des Hörers nach. Ihr Mann hatte noch ein weiteres Gespräch geführt. Gespannt drückte Elfi auch für diese Nummer die Wahlwiederholung. Auch hier ging ein Anrufbeantworter dran. „Grüß Gott. Dies ist der Anschluss der Familie Riebel. Wir sind gerade nicht erreichbar, freuen uns aber über eine Nachricht nach dem Signalton. Danke!“
Warum hatte Karl gestern Abend zuerst bei Riebels angerufen? Was wollte er von Heinz? Ihn vielleicht auf eine Pizza einladen, weil er sich so einsam fühlte? Wohl kaum. Heinz Riebel war ein Anwalt, der mit allen Wassern gewaschen war. Er hatte Karl schon gelegentlich aus brenzligen Situationen herausgeholfen, wenn die Geschäfte mit Adriano sich etwas zu weit an den Rand dessen herangewagt hatten, was gesetzlich noch vertretbar war. Riebel war immer eine Lösung eingefallen und Karl wusste, dass er auf seinen Freund zählen konnte, wenn er in der Klemme saß. Was also wollte er von dem Anwalt? Musste Elfi sich Sorgen machen, dass der gestrige Abend Konsequenzen haben würde? Ihr wurde mulmig, schließlich hatte sie ihren Mann noch nie so verletzt gesehen. Vielleicht fand sie noch weitere Hinweise.
Der Schreibtisch war
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