Mordwoche (German Edition)
von diesem Unbekannten eine Gefahr ausging.
Gerda König wusste, dass das, was sie vorhatten, gefährlich sein konnte und auch, dass sie sich dabei strafbar machten. Aber was blieb ihr denn anderes übrig, als die Sache selbst in die Hand zu nehmen? Sie hatte deutlich gemerkt, dass die Angelegenheit mit dem Italiener nicht gerade ganz oben auf der Prioritätenliste des Hauptkommissars stand. Für eine Durchsuchung müsste dieser sich auch zuerst einen entsprechenden Befehl der Staatsanwaltschaft besorgen. Darauf schien der Schorsch nicht besonders erpicht zu sein, jedenfalls hatte er sie vertröstet und versprochen, dass er seine Nachforschungen anstellen würde. Was immer das heißen sollte, Gerda König reichte es nicht aus. Sie spürte, dass da etwas nicht stimmte. Sie wusste nur noch nicht genau was. Jedenfalls war sie fest entschlossen, ihrem Verdacht auf den Grund zu gehen. Ihr standen schließlich ganz andere Mittel und Wege offen als der Polizei, die sich an das Gesetz halten musste. Diese Möglichkeiten wollte sie nutzen. Otto und sie durften sich nur nicht erwischen lassen.
Schon gestern hatte Gerda vergeblich auf den Anruf aus dem Goldenen Hirsch gewartet. Als sich ihre Schwägerin bis zum Abend immer noch nicht gemeldet hatte, rief Gerda König sie an, nachdem sie den Salon geschlossen hatte. Aber sie erfuhr nur, dass der Gast sein Zimmer nicht verlassen und das Abendessen aufs Zimmer bestellt hatte. Es half alles nichts. Gerda König musste warten und das fiel ihr sehr schwer. Immerhin war der Mann gemeingefährlich. Was mit so einer Waffe in den falschen Händen alles passieren konnte! Wenn die Polizei glaubte, einfach abwarten zu können, die Friseurin glaubte das nicht. Otto König hatte sich nicht eingemischt. Es war zwecklos seine Frau zu bremsen, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte. Und so hatte Otto König sich in sein Schicksal ergeben und den ganzen Abend mit seiner Frau alle Fakten zusammengetragen, die ihnen im Fall Elfi Merz bislang zu Ohren gekommen waren. Sie ließen alle „Zeugenaussagen“ Revue passieren und besprachen ihr Vorgehen bei der Durchsuchung des Hotelzimmers. Spätestens jetzt fühlte auch Otto sich als Ermittler im Fall Elfi Merz.
Als Otto und Gerda König schließlich im Bett lagen, drehte sich seine Frau noch einmal zu ihm um. „Sag mal, Otto, ist die Haustür auch wirklich gut abgeschlossen?“ „ Schatz, hast du Angst?“ „Ich meine es ernst, Otto.“ Dieser hatte verstanden. „Soll ich nochmal schauen, ob die Tür richtig zu ist?“ „Ja bitte.“ „Also gut, wenn es dich beruhigt, schaue ich gern noch einmal nach.“ Otto König wusste, dass er den Schlüssel vorhin zwei Mal im Schloss umgedreht hatte und dass die Tür damit so zu war wie Türen nur zu sein können, aber hier ging es um etwas anderes. Seine Frau sollte ruhig schlafen können, denn wer konnte schon sagen, wie lange dieser Spuk noch dauern würde? Morgen würden sie den Laden bestimmt wieder voll mit Kunden haben, die nur über ein Thema sprechen wollten und die Polizei war sicher auch noch nicht am Ende ihrer Ermittlungen.
Wider Erwarten hatte Gerda König heute gut geschlafen. Weder der Ärger mit dem Finanzamt noch die Angst vor dem Italiener hatte ihr den Schlaf geraubt. Otto König konnte sowieso fast nichts aus der Ruhe und um seinen Nachtschlaf bringen. Da musste schon mehr passieren als ein bewaffneter Italiener im Salon aufzutauchen. Auch heute an Silvester begann der Arbeitstag wie üblich. Die Friseur-Meisterin war erleichtert. Keine weitere Leiche vor dem Haus und die ersten Kunden waren normale Bärlinger Bürger. Gerda König hatte aus Sorge vor einem weiteren Fund heute Morgen so lange im Bett ausgeharrt bis ihr Mann auch wach wurde. Otto König spürte, dass seiner Frau heute Morgen der gewohnte Schwung fehlte und deshalb war er ausnahmsweise als erster aufgestanden, hatte sich fertig gemacht und seine Brötchen selbst geholt. Als er mit rot gefrorener Nase vom Bäcker zurückkam, standen auf dem Küchentisch zwei große Tassen mit frisch aufgebrühtem Cappuccino. „So, Schatz, ich hab dir auch ein Laugenweckle mitgebracht. Das hat dir doch gestern eigentlich ganz gut geschmeckt, oder?“ „Ein Brötchen nehme ich gern, den Schnaps lassen wir aber heute weg“, lachte Gerda.
Ihre erste Kundin wartete bereits vor der Tür, als die Friseurin den Laden aufschloss. Frau Schmied war gestern die erste gewesen, die aus dem kleinen Kreis der
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