Mordwoche (German Edition)
„Ermittlerinnen“ gerissen wurde, weil sie als nächstes bedient wurde. „Grüß Gott, Frau König. I war doch geschdern zum Schneida da. Ond zu Haus hab i gmerkt, dass die Hoor hier hinder m Ohr noch a bissle zu lang send.“ Gerda König konnte zwar nicht erkennen, dass der Haarschnitt ungleichmäßig sein sollte, aber das war auch nicht wichtig. Die Kundin hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, also stimmte etwas nicht. So einfach war das. Vielleicht war die Korrektur aber auch nur ein Vorwand. Für solche Spielchen hatte die Chefin an einem Tag wie heute eigentlich keine Zeit. Aber das ließ sie sich der Kundin gegenüber natürlich nicht anmerken und bediente sie so freundlich und zuvorkommend wie immer.
„Das haben wir gleich, Frau Schmied. Schauen Sie, jetzt dürfte Sie eigentlich nichts mehr stören.“ Die Chefin des Salons hatte ein paar Mal mit der Schere durch die Luft geschnippelt, denn sie wollte die Frisur der Kundin nicht im Nachhinein verunstalten. Frau Schmied lächelte in den Spiegel, den ihr Gerda König vorhielt. Das war ihr offensichtlich zu schnell gegangen und noch bevor Gerda König ihr den Frisierumhang wieder abnehmen konnte, rückte sie mit dem wahren Grund ihres Besuchs heraus. „Ond, Frau König, wisset Se scho was Neues von der Frau Merz? Die isch doch umbracht worde, gell?“ Es gehörte zu den Stärken Gerda Königs, genau zu erkennen, was welche Kundin brauchte. Und so schaffte sie es auch jetzt, diese neugierige Simulantin zufrieden zu stellen, ohne sich auf eine ausführliche Diskussion einzulassen. Die Friseurin hoffte nur, dass ihr heute nicht noch weitere solche Querschläger den straffen Zeitplan durcheinander bringen würden.
Z um Glück waren nicht alle Kundinnen an diesem Vormittag so versessen darauf mit der Friseurin ihres Vertrauens über den Tod von Elfi Merz zu sprechen und Gerda König genoss es, dass ein bisschen Routine zurückkehrte. Am späten Vormittag wurde sie allerdings erneut von den gestrigen Ereignissen eingeholt als Katrin Ohler im Salon erschien. Die Chefin bediente die jüngere der Merz-Töchter persönlich. „Mein aufrichtiges Beileid, Frau Ohler. Es ist so schrecklich, was passiert ist.“ Katrin hatte den Friseurtermin bereits letzte Woche vereinbart und hatte keinen Grund gesehen, ihn abzusagen. Elfis Tod war ebenso wenig ein Anlass für eine Absage wie der Besuch des Hauptkommissars heute Morgen. „Danke für Ihre Anteilnahme, Frau König. Die Haare hätte ich gern wie immer.“
Als die junge Polizistin ihr gestern Vormittag die Nachricht vom Tod ihrer Mutter überbrachte, war diese sicherlich überrascht, dass sie in Anbetracht der Todesbotschaft nicht weinend zusammengebrochen war. Vielleicht hätte man das von ihr erwartet. Aber Katrin konnte nicht weinen, sie trauerte nicht. Im Gegenteil, sie war froh und spürte eine große Erleichterung. Es war, als ob der mütterliche Würgegriff, den sie Zeit ihres Lebens immer gefühlt hatte, endlich wegfiel. Die Polizistin hatte sie auch darüber informiert, dass Elfi keines natürlichen Todes gestorben sei. Ob es sich allerdings um einen Suizid oder um einen Mord handle, das müssten die genauen Untersuchungen noch ergeben. Sie hatte dann noch Angaben zu ihrem Alibi machen müssen. Während die Friseurin mit ihren Haaren beschäftigt war, kam Katrin zum ersten Mal seit dem Besuch der Polizistin Zeit etwas zur Ruhe. Elfi war also tot. Das änderte einiges. Katrin würde sich mit Susanne zusammensetzen müssen und schauen, wie das Autohaus weiter geführt werden soll. Jetzt musste sie aber erst einmal die Beileidsbezeugungen ihrer Umwelt über sich ergehen lassen. Sie wusste, was ihr Gegenüber von ihr erwartete und sie spielte ihre Rolle gut. Man sollte ihr schließlich nicht nachsagen können, dass sie der Tod ihrer Mutter kalt ließ. Das wäre auch schlecht fürs Geschäft gewesen. Vielleicht belebte der ganze Zirkus um die tote Elfi in ihrem VW-Käfer auch die Umsätze des Autohauses.
Auch wenn Katrin nicht um ihre Mutter trauerte, denn ihr Tod war kein Verlust für sie, so interessierte sie sich doch für die Details ihres Ablebens. „Stimmt es, dass Sie meine Mutter gefunden haben, Frau König?“ „Ja, das war ein ganz schöner Schock. Schließlich geschieht auch nicht jeden Tag ein Mord vor unserer Haustür.“ „Meine Mutter wurde nicht ermordet. Es war ein Unfall.“ „Das kann ich mir jetzt aber nicht vorstellen, Frau Ohler.“ „Ganz bestimmt. Es besteht kein
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