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Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Titel: Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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Strömung war ihre Angst geringer. Sie schob das beladene Boot hangabwärts, Stange und Paddel griffbereit. Vorsichtig ließ sie es seitlich in die Strömung gleiten, spürte den Druck und ahnte, daß sie es schaffen konnte.
    Sie stieg hinein; die Strömung ergriff das Boot, ließ es einen Augenblick lang wie ein Blatt herumwirbeln, ehe sie die Stange einsetzen und die Kontrolle an sich reißen konnte.
    Sie schützte sich vor dem Aufprall auf Gestein, wirbelte noch einmal auf schwindelerregende Weise herum, suchte den Grund und hätte beinahe die Stange losgelassen.
    Die Stange fand keinen Halt. Sie rettete das Holz im letzten Moment, wobei sie ein wenig Wasser ins Boot bekam, und plötzlich raste das Boot um einen Inselvorsprung und auf den mächtig dahinbrodelnden Aj zu, auf eine Strömung zu, die sie nicht bekämpfen konnte.
    Sie fand keinen Grund, so benutzte sie verzweifelt das Paddel: zunächst ließ sie sich von der Strömung treiben, arbeitete sich aber langsam zum Rand vor und kämpfte sich wieder in die flachen Kanäle, die zwischen Anlas Masse und den Barrows verliefen. Sie wandte den Blick von dem unnatürlichen Schimmer ab, der auf dem Wasser lag, nein, tanzte — sie gebrauchte abwechselnd Paddel und Stange in dem Bewußtsein, daß ihr kein anderer Weg blieb, daß die Kanäle dicht bei Anlas mächtiger Erhebung am flachsten sein würden, weil hier einmal die alte Straße verlaufen war. Die Strömung zerrte an ihr, versuchte sie zum Aj und von dort ins Meer zu entführen, wo Socha gestorben war, verirrt, ertrunken. Hier jedoch, wo sie sich an die frisch überfluteten Ränder hielt, wo das Boot über Schilf flüsterte, war das Wasser beinahe ruhig.
    Sie fuhr nach Hause.
    Jhirun ruhte sich von Zeit zu Zeit aus, indem sie das Boot gegen die Schräge eines Barrows steuerte, und trieb sich zu weiteren Anstrengungen an, sobald sie etwas zu Atem gekommen war. Das Schrecknis, das sie auf Anlas Krone bemerkt hatte, kam ihr nun unmöglich vor, in ihrer Erinnerung verschlossen wie das Innere der Grabstätte, ein Ding der Nacht und der Randzone aller Realitäten. Noch saß ihr das Kribbeln der Angst im Nacken, doch gegenwärtiger und dringlicher war die Wolke im Norden, das gelegentliche grelle Aufblitzen aus dieser Richtung.
    Sie fürchtete die eigentlichen Berge, Zufluchtsstätten für kleine Tiere, mit denen sie die Nacht nicht zu teilen wünschte — Ratten, die schattenhaft über das Ufer huschten, während sie vorbeifuhr, Schlangen, die das Gras bewegten, während sie sich ausruhte.
    Die Flut hatte überdies neue Kanäle entstehen lassen, Stellen, die ihr gar nicht vertraut waren, wobei die Flut sogar bekannte Berge anders aussehen ließ.
    Sie ließ sich von den Strömungen lenken, die sie bekämpfte, von den Sternen, die allmählich unter Wolken verschwanden. Sie spürte, wie sie südwärts, flußwärts getrieben wurde, und wußte bald nicht mehr genau, wo sie sich befand.
    Doch endlich erhoben sich unregelmäßige, spitze Formen aus dem Wasser, die Ruinen von Chadrih. Ihr Herz machte einen Freudensprung, denn von hier aus kannte sie den Weg durch die flachen Kanäle.
    Das Murmeln des Wassers, der hektische Gesang der Frösche und der anderen Geschöpfe aus dem hohen Gras bildeten ein Gegenlied zur Bewegung des Bootes, zum Klatschen des Wassers gegen den Bug, zum Flüstern der Schilfhalme unter dem Bootsboden. Zuversichtlich geworden, stand Jhirun in ihrem Boot auf und balancierte gelassen auf bloßen Füßen. Die Stange berührte die versunkenen Steine, an die sie sich gut erinnerte.
    Chadrih: sie wußte noch, wie sie neun Jahre alt war und aus einem Haus in Chadrih geworfen wurde, ringsum machten Leute Zeichen, um den bösen Einfluß eines Barrow-Kindes abzuwehren, das bekanntermaßen verhext war, das Träume hatte. Sie erinnerte sich an eine sündige Zufriedenheit darüber, daß das Haus verlassen war, daß die Fenster nackt und leer gähnten. Die Halmo-Menschen waren bis zuletzt geblieben, sie hatten die Barrower am meisten gehaßt und verachtet; und sie waren ertrunken, als sie zwölf war. Das Wasser hatte sie mitgerissen, und sie wußte gar nicht mehr, wie sie ausgesehen hatten.
    Sie verlagerte das Gewicht und stieß die Stange gegen den Grund und lenkte das Boot in den schmalen Kanal, der einmal eine kopfsteingepflasterte Straße gewesen war. Die eingestürzten Gebäude glitten wie augenlose, düster brütende Ungeheuer an ihr vorbei. In den Ruinen raschelten Flügel, die nistenden Vögel, aufgestört,

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