Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan
mächtigen Schlange, die halb im Sumpf untergetaucht war, mal auf der einen, dann wieder auf der anderen Seite der Straße.
Neben dem Weg erhob sich etwas Hohes und Dünnes. Das Pony schritt darauf zu, und Jhiruns Herz schlug schneller, ihre Finger verkrampften sich um den Zügel, während sie sich selbst beruhigte, daß das Tier nicht so gelassen weitergehen würde, wenn es sich um ein gefährliches Tier handelte. Dann nahm die Erscheinung Formen an — es handelte sich um einen Stehenden Stein, den man von der Seite sah. Sie kannte die Stelle und merkte nun erst, wie weit sie im Nebel schon geritten war.
Immer neue Steine tauchten auf. Sie wußte, wo sie war: die zerstörte
khalin-
Feste auf Nias Hügel lag in der Nähe, die Steine ringsum hatten schon gestanden, als der Mond noch nicht zerbrochen war. Sie befand sich an der Grenze zu den Sumpfgebieten.
Das kleine Pony setzte seinen Weg unbeirrt fort, die kleinen Hufe schlugen auf Stein und wurden ab und zu durch Erde gedämpft; und von der ganzen Welt waren für Jhirun nur die nächstliegenden Steine und der kleine Flecken Erde zu sehen, auf dem sich das Tier bewegte, als würde die Schöpfung vor ihr entrollt und besäße nur am Punkt ihres Seins die nötige Festigkeit. So mochte es sein, wenn man über den Rand der Welt ritt.
Und über weichen Grund reitend, senkte sie den Blick und sah die Abdrücke größerer Hufe.
An dieser Stelle stieg die Straße wieder empor, so daß sie ihre Erdschicht verlor und die alte Steinoberfläche bloßgelegt war.
Drei Stehende Steine erzeugten eine Gruppe von Schatten im Nebel dicht neben der Straße. Ein vages Echo hallte von den Felsbrocken wider, langsam, den Lärm der Ponyhufe verdoppelnd. Jhiran gefiel diese Stelle nicht, die bereits existiert hatte, als die Barrows noch gar nicht errichtet worden waren. Ihre Hände krallten sich in die kurze Mähne des Ponys wie auch um die Zügel, denn das Tier bewegte sich nun erschöpft, den Kopf erhoben und mit erster Unsicherheit im Schritt. Die Echos setzten sich fort; und plötzlich klang Metall auf Stein, ein beschlagenes Pferd.
Jhirun grub ihrem Pony die Hacken in die dicke Flanke, nahm ihren ganzen Mut zusammen und zwang das unwillige Tier voran.
Das schwarze Pferd gewann vor ihr Gestalt, Pferd und Reiter, die sie erwarteten. Das Pony blieb stehen. Jhirun spornte es erneut an, und der Krieger verhielt, ein dunkler Schatten im Nebel. Sein Gesicht schälte sich heraus; er trug einen spitzen Helm, um den nun ein weißes Tuch lag. Jhirun zügelte das Pony.
»Ich wollte dich finden«, sagte sie, und der ausbleibende Willkommensgruß ließ einen ersten Hauch von Unsicherheit um ihr Herz flattern, eine Vorahnung von völlig veränderten Umständen.
»Wer bist du?« fragte der Fremde, was sie nun wirklich verblüffte, so daß sie ihn anstarrte. »Woher kommst du? Von der Feste auf dem Hügel?«
Sie sagte sich, daß sie wahrhaft den Verstand verlieren müsse, und preßte sich die kalten Hände gegen das Gesicht, während ihr struppiges Pony vor dem schwarzen Pferd winzig wirkte.
Mit leisem Wasserplätschern und dem Klirren von Hufeisen auf Gestein erschien ein zweites Pferd im Nebel. Auf seinem Rücken saß eine Frau in einem weißen Mantel, und ihr Haar war so bleich wie der Tag, so hell wie Rauhreif.
Eine Frau,
hatte der Krieger im Traum gehaucht,
eine weiße Reiterin, die Frau, die mir folgt...
Doch sie hielt neben ihm, der weiße König und der schwarze König zusammen, und Jhirun zog ihr Pony herum, um dem Anblick zu entrinnen.
Das schwarze Pferd holte sie ein, und die Hand des Kriegers riß ihr die Zügel aus den Fingern. Das Pony scheute vor einer solchen Behandlung zurück, und die kurze Mähne entglitt ihren müden Fingern. Der Körper drehte sich unter ihr, und sie glitt über den feuchten Rücken. Blinder Nebel umgab sie, hinauf oder hinunter, das wußte sie nicht, bis sie auf den Rücken fiel und die Dunkelheit sie überrollte.
ZWEITES BUCH
4
Diese Welt ähnelte nicht Kursh oder Andur, nicht einmal in den Wäldern. Das Wasser plätscherte hier sanft dahin, ein feindliches Flüstern rings um die Hügel. Der Mond, der durch den Nebel schimmerte, war ein zu großer Mond, ein Gewicht am Himmel und auf der Seele; und die Luft war schwer von Fäulnis.
Vanye war froh, als er mit seiner Last eingesammelter Äste ans Feuer zurückkehren und sich in die Wärme knien konnte, die den Nebel vertrieb und den fauligen Geruch mit duftendem Rauch überlagerte.
In der Ruine
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