Morganas Wölfe
stark auf unseren Besuch einstellen können. Wir hofften nur, daß wir ihn auch antrafen.
Bei diesen Wetterverhältnissen hörte die Rushhour praktisch nie auf. Da waren die Wagen der U-Bahnen stets voll, weil viele vom Wagen auf die Bahnen umstiegen. Ich hatte das Pech, von einer unwahrscheinlich dicken Frau gegen ein Fenster gepreßt zu werden, und ich hoffte nur, daß die Scheibe hielt.
Wenn ich an der Schulter der Frau vorbeischaute, sah ich in Sukos grinsendes Gesicht. Mein Freund hatte meine Zwangslage mitbekommen und amüsierte sich darüber.
Ich hatte Glück, denn die Frau stieg noch vor uns aus. Sie räumte sich den Weg frei, trug dabei noch zwei Taschen, die ihre Arme lang machten, und selbst zwei hochgewachsene Punks räumte sie mit ihren Massen aus dem Weg. Die beiden Typen waren sprachlos.
Ich konnte endlich wieder frei durchatmen, zumindest in der Station.
Später umgab uns der Londoner Nebel wie ein Ring, die typische Waschküche, durch die sich noch immer Autofahrer quälten. Die Hupen der Wagen hörten sich ungewöhnlich dumpf an.
Zwar kannten wir uns in Mayfair aus, aber der Nebel hatte alles verändert. Straßenschilder verschwammen, Gebäude tauchten weg, so daß auch wir Mühe hatten, unser Ziel zu finden, das etwas versetzt von der Straße lag, praktisch in einer Einbuchtung, wo mehrere Häuser standen, mit Grünflächen dazwischen. Im Sommer sah es sicherlich gut aus, eine grüne Insel mitten in der Steinwüste, doch jetzt machte der Nebel alles gleich.
›Unser‹ Haus fanden wir nach einigem Suchen, und auf dem matten Klingelbrett in der Türnische entdeckten wir den Namen Phil Butcher ganz oben.
Suko schellte. Ich hatte mich neben ihn gestellt, ihm aber den Rücken zugedreht und schaute zurück in den Nebel, wo die Lichtkegel der Autos durch die Straßenschluchten stachen. Es war gespenstisch.
Hinter mir murmelte Suko eine Verwünschung und klingelte erneut. Ich achtete nicht auf ihn, weil mir etwas aufgefallen war. Vor mir stand jemand, und zwar so weit entfernt, daß es mir unmöglich war, ihn zu identifizieren. Ich ahnte jedoch, daß es kein Mensch war, der sich dort aufhielt. Dazu war der Umriß zu klein und ging zu sehr in die Breite.
Ein Tier. Ein Wolf?
Der Gedanke tauchte automatisch in mir auf. Er flirrte durch meinen Kopf und machte mich nicht eben optimistischer. Es konnte mir nicht gefallen, von einem Hund oder Wolf beobachtet zu werden, gerade in dieser Lage.
Oder beruhte alles auf einen Irrtum? Spielte mir die Phantasie einen Streich?
Suko murmelte nicht mehr. Er ärgerte sich jetzt und fluchte leise vor sich hin.
»Was ist denn?« fragte ich ihn, ohne mich umzudrehen.
»Er ist nicht da. Wir hätten doch anrufen sollen.«
Ich hob die Schultern.
»He, einen Kommentar gibst du nicht?«
»Was willst du denn hören, Suko? Daß wir uns geirrt haben. Weiß ich selbst, aber im Moment habe ich andere Probleme.«
»Welche?«
»Wir werden beobachtet!«
Das überraschte meinen Freund. Er erwartete eine Erklärung und erhielt sie auch, wobei wir den Platz vor der Tür nicht verließen. Auch Suko sah den Schatten, der von Nebelschleiern umflort wurde.
»Das ist ein Wolf.«
Ich nickte.
»Okay, John. Was tun wir? Packen wir ihn uns, wenn es tatsächlich ein Wolf ist?«
»Wäre nicht schlecht«, murmelte ich. »Wir könnten ihn auch durcheinanderbringen. Du gehst nach rechts, ich nach links. Mal sehen, für wen er sich entscheidet.«
»Bestimmt für dich!«
»Warum?«
»Feeling.«
»Danke«, sagte ich und verließ die Umgebung der Haustür. Ich wußte nicht, ob wir uns richtig verhielten. Vielleicht hätten wir noch der Wohnung auf etwas unkonventionelle Art und Weise einen Besuch abstatten sollen, denn irgendwo mußten wir auch damit rechnen, daß diesem Phil Butcher etwas passiert war. Warum sonst hätte der Wolf hier lauern sollen? Oder wartete er auf ihn?
Wir trennten uns vor der Tür. Meine Jacke stand offen. Ich konnte sehr schnell meine Beretta ziehen, wenn es sein mußte, aber es gab zunächst keinen Grund.
Der Schatten bewegte sich nicht.
Erst als ich drei Schritte gegangen war, da drehte er den Kopf zur Seite und trottete davon. Er sah aus wie ein braver Hund, der seine Pflicht getan hatte. Ich wollte es genauer wissen, ging deshalb schneller, aber der angebliche Wolf war schnell verschwunden und hinter die Büsche einfach abgetaucht.
Davor trafen Suko und ich wieder zusammen. »Nichts«, sagte mein Freund, »du hast dich geirrt.«
»Bist du
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