Morganas Wölfe
du mir drohen?«
»Nein, ich werde handeln!«
Die Blondine blieb sitzen. Sie gab sich gelassen, und das drückte auch ihre Haltung aus. Sie hatte das rechte Bein auf die Sitzlehne gelegt. Ihre Arme hingen locker und entspannt an den beiden Seiten des Möbels herab. »Du willst also handeln, Phil. Willst du mich mit Gewalt überzeugen?«
Er war stehengeblieben und starrte auf sie nieder. Der Ausdruck in seinen Augen hatte sich verändert. Er war nicht mehr in der Lage, normal zu schauen. Die Röte in seinem Gesicht hatte sich verdichtet, und dazwischen tanzten weiße Flecken. Der Mund stand halb offen. Auf den Lippen schimmerte Speichel.
»Ich warne dich, Phil.«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich warne dich wirklich. Du spielst mit deinem Leben. Noch hast du die Chance, meine Wohnung zu verlassen. Bist du in fünf Sekunden nicht an der Tür, ist es vorbei. Das wollte ich dir aus alter Freundschaft noch mitteilen.«
»Ich habe es gehört.«
»Dann geh jetzt!«
»Nein, ich bleibe!«
Melanie hatte die Antwort sehr genau verstanden. Sie tat allerdings nichts, was auf eine gewaltsame Lösung hingewiesen hätte. Nur ihr Mund bewegte sich, und sie spitzte die Lippen, um dann einen schrillen Pfiff auszustoßen.
Auch Phil hatte ihn gehört. Er schnitt in seine Ohren und hatte Ähnlichkeit mit dem Pfiff eines Schiedsrichters. Aber hier spielte niemand Fußball. Der Pfiff war auch nebenan in der Küche gehört worden. Die Tür zu diesem Raum war nicht ganz geschlossen. Es fiel Butcher erst auf, als jemand von der anderen Seite dagegendrückte, so daß die Tür nach innen aufschwang.
Sie blieb offen.
Ein breiter Spalt sorgte für den Blick in die Küche, wo alte Möbel vom Trödel standen.
Dafür allerdings hatte Phil Butcher keinen Blick. Er spürte sein Herz wie verrückt schlagen. Seine Augen wollten aus den Höhlen treten, denn er konnte kaum glauben, was er sah.
Durch den breiten Türspalt schoben sich zwei Wesen. Keine Menschen, sondern Wölfe mit kalten und gierig funkelnden Augen.
»Ich hatte dich gewarnt«, sagte Melanie nur…
***
Butcher gab keine Antwort. Man hätte ihn anschreien können, es wäre ihm trotzdem nicht gelungen, auch nur ein Wort hervorzubringen. Er fühlte sich in diesen Augenblicken nicht mehr als Mensch, sondern mehr als ein vereistes Denkmal. In seinem Kopf herrschte eine gewaltige Leere, so daß es ihm nicht gelang, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
Das Erscheinen der beiden Wölfe hatte alles verändert, und er wurde wieder an die schrecklichen Vorgänge der vergangenen Nacht erinnert.
Für einen Moment tauchten die Bilder auf, wie die Wölfe in das Lokal gestürmt waren und sich über die Menschen geworfen hatten. Er sah das Blut spritzen, er hörte die Schreie, und es war die Stimme der Blondine, die ihn aus seinen Vorstellungen riß.
»Das ist dein Pech, Phil.«
Scharf saugte er die Luft ein. Die Wölfe hatten den Wohn- und Schlafraum in Besitz genommen und waren auch nicht mehr zusammengeblieben, sondern hatten sich geteilt. Sie kreisten jetzt ihr Opfer ein, so daß Butcher nicht mehr fliehen konnte.
Melanie saß locker im Sessel. Sie schaute zu ihm hoch, den Mund zu einem spöttischen Lächeln verzogen. »Es sind meine Leibwächter, Phil. Kannst du dir bessere Bodyguards vorstellen?«
Er gab keine Antwort. Einen kleinen Schritt ging er zurück, blieb aber stehen, als er das scharfe Fauchen hörte. Ein kalter Schauer rann über seinen Rücken. Die Augen bewegten sich, und er suchte verzweifelt nach einem Ausweg.
Es gab keinen.
Er war den Wölfen ausgeliefert.
Dabei war die Tür nicht mal weit entfernt. Wenn er jetzt startete und zwischen den beiden hindurchlief, dann konnte es ihm gelingen, die Tür zum kleinen Flur zu erreichen.
Als hätten die Bestien seine Gedanken geahnt, so schickten sie ihm plötzlich ein gefährliches Knurren entgegen, und das wiederum sorgte bei ihm für ein heftiges Zusammenzucken.
»Keine Chance, Phil…«
Er schaute auf Melanie. Sie breitete die Arme aus, gab sich überlegen, und sie hatte den Mann gleichzeitig abgelenkt. Als er schräg hinter sich das Schaben der Pranken hörte, war es zu spät. Zwar reagierte er noch und warf sich zur Seite, wobei er gleichzeitig die Arme in die Höhe riß, aber der Körper des Wolfs wuchtete gegen ihn und schleuderte ihn dem Boden entgegen, auf dem er nicht landete, denn der Tisch stand im Weg. Er krachte auf die Glasplatte, die diesem Druck nicht standhielt.
Ein wahrer Glassplitterregen
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