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Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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das zu fragen, aber sie wollte die Antwort wissen.
    »Das geht dich überhaupt nichts an.« Er schäumte vor Wut. »Woher weißt du überhaupt davon?«
    »Wahrscheinlich hat man euch im ganzen College gehört. Wenn du eure Auseinandersetzungen geheim halten willst, solltest du vielleicht etwas leiser reden. Und zwar möglichst hinter verschlossenen Türen.« Kate beschloss, erneut zum Angriff überzugehen. »Wie gut kanntest du sie? Dieses ›wir sind nur Freunde‹ nehme ich dir nicht ab. Als wir vor einigen Tagen über die Ternan-Manuskripte sprachen, hast du den Eindruck erweckt, sie kaum zu kennen.«
    »Aber natürlich kannte ich sie«, sagte er. »Warum willst du das wissen? Es ist schon schlimm genug, die Polizei auf dem Hals zu haben, da brauche ich nicht auch noch dich.« Er verlegte sich auf die weinerliche Variante. Doch Kate ließ sich nicht erweichen.
    »Mir scheint, es ist ziemlich wichtig, worüber Olivia und du gestritten habt. Es hörte sich nämlich an, als ob ihr kurz davor wäret, euch zu verprügeln. Und soweit ich informiert bin, passierte das unmittelbar vor ihrem gewaltsamen Tod.«
    Er war jetzt aufgebracht genug, um sie zu schlagen. Aber in der Kapelle würde er es nicht wagen. Oder etwa doch?
    »Halte dich einfach raus. Und sag deinem Polizistenfreund, dass es ihn ebenfalls nichts angeht.«
    »Ich habe nun einmal das Bedürfnis, zu erfahren, wer eine Frau getötet haben könnte, die ich nur Minuten vor ihrem Tod noch gesehen habe. Ist das so schwer zu verstehen? Hast du Angst, dass ich etwas Bestimmtes finde?«
    Die Engel an der Decke der Kapelle lachten über ihr unschuldiges Gehabe und fuhren fort, ihre seltsamen Instrumente zu spielen. Schalmei, Schlangenhorn, Zugposaune. Kate kannte zwar die Namen der Instrumente, hatte aber keine Ahnung, wie sie aussahen. Liam würde es sicher wissen, aber dies war gewiss nicht der richtige Zeitpunkt, ihn danach zu fragen.
    »Entschuldigen Sie, Ross, aber ich glaube, Kate hatte eigentlich vor, die nächsten beiden Stunden mit mir zu verbringen.«
    Andrew. Der Ritter in schimmernder Rüstung.
    Die beiden Männer musterten einander wie Kampfhunde.
    Liam trat einen Schritt zurück. Eine Rangelei in der Kapelle des College wäre seinem Image bei der Polizei sicher nicht unbedingt nützlich.
    »Aber natürlich«, sagte er steif. »Bis demnächst, Kate. Hoffentlich.«
    Er wandte sich schon zum Gehen, da rief Kate noch hinter ihm her: »Wann hatte Olivia überhaupt die Möglichkeit, dir zu sagen, dass sie mich gesehen hat?«
    Die Antwort auf diese Frage war sehr wichtig, obwohl Kate sie eigentlich lieber nicht erfahren hätte. Sie hatte Liam für unverdächtig gehalten. Sie hatte ihn von Olivia weggehen sehen, und Olivia war zu diesem Zeitpunkt noch sehr lebendig gewesen. Von Kates Besuch in Olivias Büro konnte Liam nur wissen, wenn er später noch einmal mit ihr gesprochen hatte. Nach Kates und Olivias Zusammentreffen im Hof. Aber viel Zeit für dieses »später« blieb nicht. Warum war er zurückgegangen? Und was hatte er getan?
    »Sollten wir nicht allmählich unsere Plätze einnehmen?«, unterbrach Andrew ihre Gedanken. »Programme habe ich schon besorgt.«
    Die Musik war leicht zu genießen. Ab und zu gestattete sich Kate, ihre Aufmerksamkeit auf den Streit mit Liam zu lenken. Allmählich dämmerte ihr ein Gedanke, der mit Olivia und ihrer Baby-Besessenheit zu tun hatte. Hätte Olivia sich überhaupt von einem anderen Streitpunkt derart auf die Palme bringen lassen? Und was bedeutete das für den Streit, den Kate belauscht hatte?

    Das Bartlemas College ist nicht weit von der Magdalen Bridge entfernt. Am anderen Ende der Brücke liegt The Plain, dann kommt die Straße, die nach Ost-Oxford führt. Andrew Grove wohnte im Norden, Kate im Westen der Innenstadt.
    »Bist du mit dem Auto da?«, fragte er.
    »Nein, ich bin zu Fuß gekommen.« Das tat sie eigentlich fast immer.
    »Mein Wagen steht auf dem Uni-Parkplatz. Soll ich dich heimfahren?«
    Nur allzu gern hätte sie sein Angebot angenommen; seine Gesellschaft hätte ihr gut getan. Jeder, der sie am Grübeln hinderte, hätte ihr an diesem Abend gut getan. »Nein danke, Andrew. Ich möchte noch ein bisschen laufen.« Es gab einen triftigen Grund für ihre Ablehnung. Kate hatte eine vertraute Gestalt entdeckt und fürchtete, Andrew könne sie in die Flucht schlagen.
    »Fühlst du dich sicher genug so ganz allein?«
    »Keine Sorge«, sagte sie, und. schwindelte weiter: »Ich habe mein Handy dabei. Wenn es

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