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Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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schweigend nebeneinander. Schließlich sprach Angel weiter. Kate hatte den Eindruck, als zwinge sie sich, die Geschichte zu Ende zu bringen. Sie bestrafte sich selbst.
    »Wir überquerten die Straße. Das Auto kam viel zu schnell um die Kurve. Mich streifte es am rechten Bein unterhalb des Knies. Aber Daisy wurde mit voller Wucht getroffen. Sie wurde samt Buggy über das Autodach geschleudert und …«
    Erst einige Zeit später konnte sie weitersprechen. »Daisy war auf der Stelle tot.«
    Schweigend hingen beide ihren Gedanken nach. Kate griff nach Angels Hand und hielt sie fest.
    »An die Zeit im Krankenhaus kann ich mich kaum noch erinnern«, sagte Angel. »An die Schmerzen allerdings schon. Und daran, dass es da etwas gab, worüber ich nicht nachdenken wollte, es aber tun musste. Und an die Art und Weise, wie sie meinem Blick auswichen und immer so sanft und freundlich mit mir umgingen. Ich wusste, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste.«
    »Und Ihr Ehemann? Oder Partner? Konnte er nicht helfen?«
    »Ich war nie verheiratet. Mein Freund hat mich kurz nach Daisys Geburt verlassen. Es hat mir nichts ausgemacht. Ich liebte nur Daisy.«
    »Und Ihre Eltern?«
    »Sie wollten nichts davon wissen. Sie waren schon recht alt, als ich auf die Welt kam, und haben meine Generation nie begriffen. Für sie war Daisy nichts weiter als ein Bastard. Können Sie so etwas verstehen? Sie war doch mein Baby. Mein Kind. Trotzdem sprachen sie mit einer so hässlichen Bezeichnung von einer so süßen Kleinen. Und jetzt ist sie tot. Meine Eltern halten mich für unmoralisch. Unser Kontakt hat sich auf das Allernötigste beschränkt. Nachdem Daisy tot war, hat meine Mutter alle Fotos zerrissen, auf denen sie zu sehen war, und mir erklärt, ich müsse lernen zu vergessen. Sie meinte, es wäre nur zu meinem Besten.«
    »Wie haben Sie reagiert?«
    Seit sie die Bilder von Daisys Tod hinter sich gelassen hatte, sprach Angel wieder flüssiger.
    »Völlig durchgedreht. Ich ging aus dem Haus, um einzukaufen, und kam fünf Monate später in Devon zu mir. An alles kann ich mich immer noch nicht erinnern. In meinem Gedächtnis sind noch große, weiße Flecken. Noch nicht einmal an den Unfall erinnere ich mich richtig. Nur an den Schmerz danach.«
    »Dann sind Sie also nach dem Krankenhausaufenthalt zu Ihren Eltern zurückgekehrt?«
    »Ja. Aber das war ein kapitaler Fehler. Und irgendwann kam die Verhandlung. Ich dachte, dass man diese Frau, die viel zu schnell gefahren war, die den Fußgängerüberweg und das Kind im Buggy übersehen hat, weil sie sich auf irgendeinen Krempel in einem Schaufenster konzentrierte – dass man so jemanden auf Jahre hinaus hinter Schloss und Riegel bringen würde.«
    Richtig, so dachte eigentlich jedermann.
    »Man hofft wenigstens auf Gerechtigkeit. Aber denkt in einem solchen Fall jemals jemand an die Opfer? Ich wollte ihnen Fotos von Daisy zeigen. Ich wollte ihnen klarmachen, dass sie lebendig und fröhlich war, dass wir uns auf dem Weg zum Spielplatz befanden, dass wir schaukeln wollten. Und dass jetzt alles vorbei war. Nie mehr würde sie lachend auf einer Schaukel sitzen und darum betteln, noch ein wenig stärker angestoßen zu werden. Niemals mehr. Ich wünschte mir, dass diese Frau so lange im Gefängnis schmoren sollte, bis sie zu alt und zu hässlich geworden war, um je eigene Kinder haben zu können. Ich wollte sie so weinen sehen, wie ich geweint hatte. Es hätte mich zwar nicht über Daisys Tod hinweggetröstet, aber es wäre wenigstens etwas Balsam für meine Seele gewesen. Ein Zeichen dafür, dass meine Kleine gelebt hatte. Aber sie haben sie laufen lassen. Sie konnte sich einen teuren Verteidiger leisten, der dem Gericht darlegte, dass seine Mandantin nicht die geringste Schuld traf.«
    Über Angels Gesicht strömten Tränen. Sie schluchzte laut und wischte sich mit den Händen heftig über die Wangen, als ob sie so die Erinnerungen weit von sich schieben könnte.
    »Wenn aber sie nicht schuld war, wer dann?«, weinte sie auf. »Daisy etwa? Oder ich? So etwas wurde vor Gericht tatsächlich behauptet. Niemand hat auf Daisy und mich gehört. Wir hatten nichts damit zu tun. Die Frau wurde freigesprochen. Sie musste zweihundert Pfund Geldstrafe zahlen und durfte gehen. In diesem Augenblick habe ich mir geschworen, dass ich sie finden und umbringen würde.«
    »Und Sie haben es getan.«
    Angel presste ein Taschentuch auf die Augen und wischte ihr Gesicht ab. Als sie sich schließlich wieder unter

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