Morgen trauert Oxford
nüchtern empfinden könnte.
»Was ich jedoch nie hatte wahrhaben wollen, war ihr übermächtiger Wunsch nach einem Kind. Natürlich war sie noch nicht alt, aber mit Mitte dreißig müssen Frauen sich eben entscheiden, oder?«
»Scheint so«, sagte Kate mit zusammengebissenen Zähnen.
»Das Problem war nur, dass Olivia diese Entscheidung für sich allein traf und mir plötzlich das Ergebnis präsentierte.«
»Heißt das, sie wurde schwanger, ohne vorher mit dir gesprochen zu haben?«
»Genau das.«
»Und du warst der Vater?«
»Das behauptete sie zumindest. Ich musste es wohl oder übel glauben.«
»Ist dir klar, dass du sie jetzt im Nachhinein beleidigst?«
»Okay, ich war der Vater. Zufrieden? Sie wollte unbedingt heiraten. Sie sagte, dass sie mich schon immer hatte heiraten wollen und dass ich einsehen müsste, dass es für uns alle drei das Beste wäre.«
»Und wie bist du damit umgegangen?« Kein Wunder, dass Liam ziemlich aufgewühlt war, als sie ihn im vergangenen Februar kennen gelernt hatte. Wahrscheinlich waren die Treffen mit ihr eine Flucht vor Olivia und dem von ihr ausgeübten Druck gewesen. Wie dämlich sie doch gewesen war! Sie hatte tatsächlich an Liebe geglaubt! Sie mochte sich Liam, Olivia und das Kind gar nicht vorstellen.
»Ich sagte, das wäre nichts für mich. Ich wollte nicht heiraten, und vor allen Dingen wollte ich sie nicht heiraten. Und Kinder wollte ich auch nicht.«
»Ich bin sicher, dass du das nie und nimmer gesagt hast«, warf Kate mit Schärfe ein. »Wahrscheinlich hast du ein wenig schuldbewusst dreingeblickt und bist für ein paar Wochen von der Bildfläche verschwunden, immer in der Hoffnung, dass vielleicht alles von selbst vorübergehen würde. Du würdest ja jetzt auch nicht mit mir reden, wenn ich nicht einfach so bei dir hereingeplatzt wäre.«
»Gut, vielleicht war es nicht gerade eine echte Auseinandersetzung, die wir über dieses Thema hatten. Aber sie muss gewusst haben, dass mir die Idee, sie zu heiraten, nicht besonders behagte. Sie hätte wissen müssen, wie ich empfinde. Ich habe nie von Ehe gesprochen. Und ich habe niemals großes Interesse an Kindern gezeigt, oder?«
»Bestimmt nicht«, bestätigte Kate. Arme Olivia. Arme, enttäuschte Olivia. »Wie hat sie reagiert?«
»Sie hat sich ziemlich aufgeregt«, sagte Liam verlegen.
»Kann ich mir denken«, nickte Kate. »Jede Frau hätte das getan. Wie ich Olivia einschätze, hat sie geschimpft und getobt. Und du hast dich vermutlich aus dem Staub gemacht. Gefühle sind ja auch etwas so Unbequemes!«
»So etwas ist einfach nicht mein Ding«, sagte Liam einsichtig.
»Und dann?«
»Sie hat abgetrieben. Sie hat alles allein organisiert und mir nichts davon gesagt. Hätte sie sich geäußert, hätte ich ihr angeboten, mindestens die Hälfte der Kosten zu übernehmen.«
»Du bist ein echtes Ekelpaket!«
Er sah verletzt aus. »Was hätte ich denn tun sollen?«
»Erzähl weiter.«
»In der Zeit zwischen der Terminvereinbarung und der eigentlichen Abtreibung hielt sie sich in London auf.«
»Bist du nicht bei ihr gewesen?«
»Ich hatte zu tun. Ich steckte mitten in der Produktion für eine Oper. Es war während der Weihnachtsferien. Ich hätte nichts tun können, um ihr zu helfen. Sie brauchte niemanden, der bei ihr saß und Händchen hielt. Und ich sagte ja bereits, dass sie die ganze Zeit über ziemlich empfindlich war. Damals hatte sie den Unfall, bei dem das Kind – wie hieß es noch? Daisy? – getötet wurde. Ich glaube, die Mutter wurde ebenfalls verletzt, aber sie hat es ganz gut überstanden.«
»Nein, durchaus nicht gut. Sie hatte sich vorgenommen, ins Leicester College zu kommen und Olivia umzubringen.«
»Mein Gott! Glaubst du, sie ist es gewesen? Hast du schon der Polizei davon erzählt? Ich habe Olivia nachmittags angerufen, und sie kreischte etwas von einer Frau, die in ihr Büro eingebrochen war und sie bedrohte. Sie bat mich, den Pförtner anzurufen und sie rauswerfen zu lassen.«
»Und warum hast du es nicht getan?«.
»Ich dachte, sie spräche von dir.«
»Aber es war Angel. Allerdings ist das nicht ihr richtiger Name. Den hat sie nach Daisys Tod vergessen. Sie ist zu Olivia vorgedrungen, um sie zu töten, aber dann konnte sie es doch nicht übers Herz bringen. Was hätte ich der Polizei denn sagen sollen? Ich kenne weder den Namen dieser Frau, noch weiß ich, wo sie wohnt.« Natürlich würde sie Liam nicht auf die Nase binden, dass Paul wahrscheinlich gerade in diesem Moment
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